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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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verwandt, ich verstehe die Sprache seiner Bewegungen, seiner Gesichtszüge. Wenn auch Rang und Reichtum eine weite Kluft zwischen uns bilden, so habe ich etwas in meinem Hirn und Herzen, in meinem Blut und meinen Nerven, das mich ihm gleichstellt. Habe ich noch vor wenigen Tagen gesagt, dass ich nichts weiter mit ihm zu tun habe, als meinen Lohn aus seinen Händen zu empfangen? Habe ich mir untersagt, ihn in einem anderen Licht zu sehen, als in dem meines Geldgebers? Blasphemie gegen die Natur! Jedes gute, wahre, mächtige Gefühl, das mir innewohnt, sammelt sich um ihn. Ich weiß, dass ich meine Empfindungen verbergen muss, dass ich alle Hoffnung ertöten muss; ich darf nicht vergessen, dass er nur wenig Interesse für mich hegen kann. Denn wenn ich sage, dass ich von seiner Art bin, so meine ich nicht, dass ich seine Macht besitze und seine geheimnisvolle Anziehungskraft. Ich will nur sagen, dass ich gewisse Ansichten und Gefühle mit ihm gemein habe. Und ich muss fortwährend wiederholen, dass wir für ewig getrennt sind … und doch, solange ich atme und denke, muss ich ihn lieben.‹
    Der Kaffee wird herumgereicht. Seit die Herren ins Zimmer getreten sind, sind die Damen lebhaft wie die Lerchen geworden, die Konversation wird lustig und angeregt. Colonel Dent und Mr. Eshton sprechen über Politik, ihre Frauen hören ihnen zu. Die beiden stolzen Witwen, Lady Lynn und Lady Ingram, plaudern miteinander. Sir George – den ich übrigens zu beschreiben vergessen habe: ein sehr großer und blühend aussehender Landedelmann – steht vor ihrem Sofa mit der Tasse in der Hand und lässt gelegentlichein Wort in die Konversation einfließen. Mr. Frederick Lynn hat neben Mary Ingram Platz genommen und erklärt ihr die Kupferstiche eines prächtigen Buches; sie lauscht mit Aufmerksamkeit, lächelt dann und wann, spricht aber offenbar sehr wenig. Der große und phlegmatische Lord Ingram lehnt mit verschränkten Armen an der Rücklehne des Stuhls, auf welchem die kleine, lebhafte Amy Eshton sitzt. Sie blickt zu ihm auf und plaudert wie ein Zaunkönig; sie mag ihn lieber als Mr. Rochester. Henry Lynn hat zu Louisas Füßen auf einer Ottomane Platz genommen; Adèle sitzt bei ihm. Er versucht, mit ihr französisch zu sprechen, und Louisa lacht über seine Fehler. Zu wem wird Blanche Ingram sich gesellen? Sie steht allein am Tisch und beugt sich voll Grazie über ein Album. Es scheint, dass sie darauf wartet, gefunden zu werden. Aber allzu lange wartet sie nicht: Sie wählt sich selbst einen Gefährten.
    Mr. Rochester steht, nachdem er die Eshtons verlassen hat, ebenso einsam am Kamin, wie sie am Tisch. Sie stellt sich ihm gegenüber, indem sie den Platz an der anderen Seite des Kaminsimses einnimmt.
    »Mr. Rochester, ich glaubte, dass Sie kein Freund von Kindern seien!«
    »Das bin ich auch nicht.«
    »Wie ist es denn gekommen, dass Sie sich solch einer kleinen Puppe, wie jene dort, annehmen konnten?« Damit zeigte sie auf Adèle. »Wo haben Sie sie gefunden?«
    »Ich habe sie nicht gefunden. Sie wurde mir hinterlassen.«
    »Sie hätten sie in die Schule schicken sollen.«
    »Das konnte ich mir nicht leisten. Schulen sind sehr teuer.«
    »Nun, ich vermute, dass Sie eine Gouvernante für sie genommen haben. Soeben habe ich eine Person mit ihr gesehen – ist sie schon fort? O nein, da sitzt sie ja hinter dem Fenstervorhang. Sie müssen ihr doch wahrscheinlich aucheinen Lohn zahlen, ich glaube, das ist doch ebenso teuer, wenn nicht noch teurer. Schließlich müssen Sie hier beide versorgen.«
    Ich fürchtete – oder soll ich sagen, ich hoffte? –, dass die Erwähnung meiner Person Mr. Rochesters Blicke in jene Richtung lenken würden, wo ich saß, und unwillkürlich zog ich mich tiefer in den Schatten zurück. Aber er wandte sich nicht um.
    »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht«, sagte er gleichgültig und blickte gerade vor sich hin.
    »Nein, Männer überlegen niemals, was ökonomisch und was vernünftig ist. Sie sollten Mama hören, wenn Sie über dieses Kapitel spricht. Ich glaube, Mary und ich haben zu unserer Zeit mindestens ein Dutzend Gouvernanten gehabt; die eine Hälfte von ihnen war abscheulich, die andere lächerlich, und alle miteinander unerträglich – nicht wahr, Mama?«
    »Sprachst du zu mir, mein liebster Schatz?«
    Die junge Dame, welche so als kostbarster Besitz der adligen Witwe bezeichnet wurde, wiederholte ihre Frage mit einer Erklärung.
    »Mein teures Kind, sprich nur nicht von Gouvernanten;

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