Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
das Wort allein macht mich schon nervös. Ich habe mit ihren Inkompetenzen und Launen ein Martyrium durchlitten. Ich danke Gott täglich, dass ich endlich mit ihnen fertig bin!«
Hier neigte Mrs. Dent sich zu der frommen Dame hinüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Aus der Antwort, welche erfolgte, schloss ich, dass sie sie auf die Anwesenheit eines Exemplars der geächteten Gattung hinwies.
» Tant pis!
«, sagte die Lady, »ich hoffe, dass es ihr nützlich sein wird!« Dann fügte sie leise hinzu, aber immer noch laut genug, um von mir gehört zu werden: »Ich habe sie sehr wohl bemerkt. Ich bin eine Kennerin von Physiognomien, und in der ihren sehe ich alle Fehler ihrer Klasse.«
»Und welches sind diese, Madam?«, fragte Mr. Rochester laut.
»Das werde ich Ihnen einmal leise ins Ohr sagen«, entgegnete sie und wackelte dreimal mit ihrem Turban vielsagend hin und her.
»Meine Neugier möchte aber gern gleich befriedigt sein; sie ist ganz ausgehungert.«
»Fragen Sie Blanche; sie ist Ihnen näher als ich.«
»O Mama, weise ihn nicht an mich! Ich habe nur ein einziges Wort für den ganzen Stamm: Sie sind einfach eine Plage, ein notwendiges Übel. Nicht, dass ich selbst jemals viel unter ihnen gelitten hätte. Nein, ich trug stets Sorge, den Spieß zu wenden. Welche Streiche Theodore und ich unseren Miss Wilsons, Mrs. Greys und Madame Jouberts gespielt haben! – Mary war ja stets zu schläfrig, um mit ganzer Seele an unseren Verschwörungen teilzunehmen. – Den größten Spaß hatten wir mit Madame Joubert. Miss Wilson war ein armes, kränkliches, trauriges, weinerliches Ding, kurz und gut, es verlohnte gar nicht der Mühe, bei ihr zu siegen. Und Mrs. Grey war roh und unempfindlich, sie spürte keinen Schlag. Aber die arme Madame Joubert! Ich sehe sie noch in ihrer tobenden Leidenschaft, wenn wir sie zum Äußersten getrieben hatten – wir vergossen unseren Tee, zerbröckelten unsere Butterbrote, warfen unsere Bücher bis zur Decke empor und veranstalteten einen Riesenkrach mit Lineal, Schreibpult, Kamingitter und der Feuerzange. Theodore, erinnerst du dich noch an jene fröhlichen Tage?«
»Jaaa, gewiss tue ich das«, schnarrte Lord Ingram, »und der arme alte Stecken pflegte auszurufen: ›Oh, ihr schlechte Kindern!‹ Und wir predigten ihr dann, wie vermessen es eigentlich sei, solch Schlauköpfe, wie wir es waren, belehren zu wollen, wenn man selbst nicht einmal richtig sprechen konnte.«
»Ja, das taten wir! Und, Tedo, weißt du noch, wie ich dir half, deinem Hauslehrer, dem blassen, grauen Mr. Viningzuzusetzen und ihn zu überführen? Den säuerlichen Pfarrer, wie wir ihn nannten? Er und Miss Wilson nahmen sich die Freiheit, sich ineinander zu verlieben – wenigstens bildeten Theodore und ich uns das ein; wir fingen verschiedene zärtliche Blicke und Seufzer auf, die wir als Anzeichen einer
belle passion
deuteten. Und ich kann Ihnen versichern, das Publikum profitierte gar bald von unserer Entdeckung, wir benutzten sie nämlich als Druckmittel, um diesen Ballast aus dem Hause zu werfen. Meine gute Mama dort – sobald sie Wind von der Geschichte bekommen hatte, fand sie auch schon heraus, dass die Sache zum Unmoralischen tendierte. Nicht wahr, beste Mutter?«
»Gewiss, meine Beste. Und ich hatte recht, verlassen Sie sich darauf! Es gibt Tausend Gründe, weshalb eine Liaison zwischen der Gouvernante und dem Hauslehrer in einem wohlgeregelten Haushalt nicht geduldet werden sollte; erstens …«
»O Gnade, Mama! Verschone uns mit der Aufzählung der Gründe!
Au reste
, wir kennen sie ja alle: die Gefahr des schlechten Beispiels für die Unschuld der Jugend, Ablenkung und darauffolgende Vernachlässigung der Pflichten seitens der Verliebten, ihr wechselseitiges Bündnis und ihre gegenseitige Unterstützung mit daraus entspringenden Vertraulichkeiten – in der Folge dann Dreistigkeit, Empörung, Meuterei und allgemeiner Ärger! Habe ich nicht recht, Baronin Ingram von Ingram-Park?«
»Meine Lilie, du hast wie immer recht.«
»Verlieren wir also kein Wort mehr darüber. Sprechen wir von etwas anderem.«
Amy Eshton, die dieses Diktum nicht gehört oder nicht beachtet hatte, fiel in ihrem sanften, kindlichen Ton ein: »Louisa und ich pflegten unsere Gouvernante auch zu ärgern, aber sie war ein so liebes, gutes Wesen, sie ertrug alles, nichts konnte ihre gute Laune stören. Sie war niemals böse mit uns, nicht wahr, Louisa? Niemals.«
»Nein, niemals; wir konnten tun, was wir wollten – ihren
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