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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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erklären Sie das«, rief die Dame.
    »Verzeihen Sie mir! Eine Erklärung ist hier nicht nötig; Ihr eigenes feines Gefühl muss Ihnen sagen, dass ein Stirnrunzeln von Ihnen ein vollständiger Ersatz für die Todesstrafe wäre.«
    »Singen Sie!«, sagte sie und begann eine lebhafte Begleitung auf dem Klavier zu spielen.
    ›Jetzt ist meine Zeit gekommen, mich fortzuschleichen‹, dachte ich, aber die Töne, welche in diesem Augenblick an mein Ohr schlugen, hielten mich zurück. Mrs. Fairfax hatte gesagt, dass Mr. Rochester eine schöne Stimme besitze. Das war der Fall – ein weicher, kräftiger Bass, in dem seine ganze Kraft, all sein Gefühl lag, der einen Weg durch das Ohr zum Herzen fand und dort ein wunderbar seliges Empfinden weckte. Ich wartete, bis der letzte tiefe, volle Ton verklungen war und die Flut des Gesprächs, die für einen Augenblick zu rauschen aufgehört hatte, wieder einsetzte. Dann verließ ich meinen verborgenen Winkel und ging durch eine Seitentür hinaus, die glücklicherweise in meiner Nähe war.Von dieser führte ein schmaler Korridor in die Halle; als ich dieselbe durchschritt, bemerkte ich, dass meine Sandale sich gelöst hatte. Ich beugte mich, um sie wieder festzubinden, und stellte meinen Fuß zu diesem Zweck auf den Teppich der Treppe. Da vernahm ich, wie die Tür des Speisezimmers geschlossen wurde; ein Herr trat heraus. Hastig richtete ich mich auf und stand ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Es war Mr. Rochester.
    »Wie geht es Ihnen?«, fragte er.
    »Es geht mir sehr gut, Sir.«
    »Weshalb kamen Sie im Salon nicht, um sich mit mir zu unterhalten?«
    Ich dachte für mich, dass ich dieselbe Frage wohl an den Fragenden hätte richten können, aber ich erlaubte mir diese Freiheit nicht. Ich antwortete:
    »Ich wollte Sie nicht stören, da Sie vollauf beschäftigt schienen, Sir.«
    »Was haben Sie während meiner Abwesenheit gemacht?«
    »Nichts Besonderes, ich habe Adèle unterrichtet wie gewöhnlich.«
    »Und Sie sind sehr viel blasser geworden, als Sie waren. Das sah ich auf den ersten Blick. Was ist geschehen?«
    »Gar nichts, Sir.«
    »Haben Sie sich an jenem Abend, als Sie mich beinahe ertränkten, erkältet?«
    »Durchaus nicht.«
    »Gehen Sie in den Salon zurück, Sie entfernen sich zu früh.«
    »Ich bin müde, Sir.«
    Er sah mich einen Augenblick an.
    »Und ein wenig traurig«, sagte er. »Was fehlt Ihnen? Sagen Sie es mir.«
    »Nichts, gar nichts, Sir. Ich bin nicht traurig.«
    »Aber ich versichere Ihnen, dass Sie es sind, so traurig, dass Ihnen die Tränen in die Augen treten würden, wenn ichnoch einige Worte spräche; wirklich, ich sehe sie schon schimmern und glänzen, und jetzt ist eine Perle vom Augenlid auf die Wange herabgerollt. Wenn ich Zeit hätte und nicht in Angst wäre, dass irgendeine Klatschbase von einem Dienstboten hier vorbeikommen könnte, so würde ich bald herausfinden, was dies alles bedeutet. Nun, für heute Abend will ich Sie entschuldigen; aber Sie verstehen wohl, dass ich erwarte, Sie jeden Abend im Salon zu sehen, solange meine Gäste hier sind. Es ist mein Wunsch, vergessen Sie ihn nicht! Jetzt gehen Sie. Schicken Sie Sophie, dass sie Adèle holt. Gute Nacht, mein …«
    Hier hielt er inne, biss sich auf die Lippen und verließ mich plötzlich.

Achtzehntes Kapitel
     
    Gar fröhlich gingen die Tage in Thornfield Hall dahin, und geschäftige Tage waren es auch. Wie verschieden waren sie von den ersten drei Monaten, die ich dort in Stille, Monotonie und Einsamkeit zugebracht hatte! Alle traurigen Empfindungen schienen aus dem Haus geschwunden, alle traurigen Erinnerungen vergessen; überall war Leben, während des ganzen Tages war alles in Bewegung. Durch die einst so stille Galerie und in die Vorderzimmer, die sonst keine Seele bewohnte, konnte nun niemand gehen, ohne einer zierlichen Zofe oder einem eleganten Kammerdiener zu begegnen.
    In der Küche, in der Vorratskammer des Kellermeisters, in der Halle der Dienstboten, in der großen Eintrittshalle – überall dasselbe Leben. In den Salons war nur Ruhe und Frieden, wenn der blaue Himmel und der Sonnenschein des herrlichen Frühlingswetters die Gäste in den Park hinausriefen. Selbst als das schöne Wetter zu Ende war und ununterbrochener Regen für einige Tage das Regiment hatte, schien das Vergnügen keine Einbuße erlitten zu haben. Alsan Lustbarkeiten draußen nicht zu denken war, wurden die Zerstreuungen im Hause umso lebendiger und mannigfaltiger.
    Ich fragte mich, was man wohl

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