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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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trotzdem noch vor Kälte zu beben –, begann ich, ihn mit Mr. Rochester zu vergleichen. Ich glaube, bei allem Respekt, der Unterschied zwischen einem sanften Gänserich und einemstolzen Falken könnte nicht viel größer sein; nicht schärfer der Kontrast zwischen einem frommen Schaf und dem zotteligen, scharfäugigen Hund, seinem Hüter.
    Er hatte von Mr. Rochester wie von einem alten Freund gesprochen. Eine seltsame Freundschaft musste dies gewesen sein, eine treffende Illustration des alten Sprichwortes ›Gegensätze ziehen sich an‹.
    Zwei oder drei der Herren saßen neben ihm, und von Zeit zu Zeit drangen abgerissene Sätze ihrer Unterhaltung bis in meine abgelegene Ecke. Lange blieb mir der Sinn des Gehörten unklar, denn die Unterhaltung zwischen Mary Ingram und Louisa Eshton, die in meiner nächsten Nähe saßen, übertönte das Gespräch der Herren am Kamin. Die Damen sprachen über den Fremden, beide nannten ihn einen schönen Mann. Louisa sagte, er sei »ein reizender Mensch« und sie »schwärme für ihn«; Mary machte Bemerkungen über seinen »süßen kleinen Mund und seine entzückende Nase« – beides schien ihre Ideale von Schönheit zu verkörpern.
    »Und welch eine freundliche Stirn er hat«, sagte Louisa, »so glatt, keine von diesen Falten, die ich so sehr verabscheue. Und welch ein ruhiges Auge, welch ein berückendes Lächeln!«
    Und dann rief Mr. Henry Lynn sie zu meiner größten Erleichterung an das andere Ende des Zimmers, um noch irgendwelche Punkte über die aufgeschobene Exkursion nach Hay zu besprechen.
    Jetzt war es mir wieder möglich geworden, meine Aufmerksamkeit auf die Gruppe am Kamin zu richten, und nun erfuhr ich auch bald, dass der Ankömmling Mr. Mason hieß. Dann hörte ich, dass er soeben in England angelangt sei und aus irgendeinem heißen Land komme. Letzteres war wahrscheinlich der Grund für sein fortwährendes Näherrücken an das Feuer und für den Überrock, den er auch im Salon nicht abgelegt hatte. Die Namen Jamaika, SpanishTown und Kingston, welche an mein Ohr schlugen, belehrten mich, dass Westindien sein Aufenthalt gewesen sein musste, und nicht gering war mein Erstaunen, als ich weiter erfuhr, dass er Mr. Rochesters Bekanntschaft in jenen Gegenden gemacht habe. Er sprach von der Abneigung seines Freundes gegen die sengende Hitze, die furchtbaren Orkane und die Regenzeiten dieser Regionen.
    Ich wusste wohl, dass Mr. Rochester viel gereist war; Mrs. Fairfax hatte es mir ja erzählt, aber ich hatte bisher geglaubt, dass er sich auf den europäischen Kontinent beschränkt hatte. Niemals hatte er auch nur die leiseste Andeutung darüber gemacht, dass er selbst jene entlegenen Küsten besucht habe.
    Über diese Dinge dachte ich nach, als ein Zwischenfall, und noch dazu ein sehr unerwarteter, den Faden meiner Grübeleien unterbrach. Mr. Mason, der jedes Mal von einem kalten Schauer gerüttelt wurde, wenn jemand die Tür aufmachte, hatte gebeten, dass man noch mehr Holz und Kohlen auf das Feuer lege, dessen Flammen nicht mehr emporloderten, obgleich die Asche noch rot und heiß glühte. Als der Diener, welcher das Feuerholz hereingebracht hatte, das Zimmer wieder verlassen wollte, trat er zuvor an Mr. Eshtons Stuhl und flüsterte diesem Herrn etwas ins Ohr, wovon ich nur die Worte »altes Weib« und »ziemlich lästig« verstehen konnte.
    »Sagen Sie ihr, dass wir sie einsperren lassen, wenn sie nicht gleich verschwindet«, entgegnete der Magistrat Mr. Eshton.
    »Nein, halt!«, unterbrach Colonel Dent. »Schicken Sie sie nicht fort, Eshton; wir könnten die Gelegenheit doch benützen. Fragen wir mal die Damen.« Und laut fuhr er fort: »Meine Damen, Sie haben davon gesprochen, zu der Wiese bei Hay gehen zu wollen, um das Zigeunerlager zu besuchen. Nun bringt Sam hier die Botschaft, dass eine der alten Zigeunerinnen sich in diesem Augenblick in der Halle derDienstboten befindet und darauf besteht, bei den Herrschaften vorgelassen zu werden, um ihnen wahrsagen zu dürfen. Haben Sie Lust, die Alte zu sehen?«
    »Wahrhaftig, Colonel«, rief Lady Ingram aus, »Sie wollen solch eine gemeine Betrügerin doch wohl nicht noch unterstützen? Schicken Sie sie unbedingt fort, augenblicklich!«
    »Es war mir nicht möglich, sie zum Fortgehen zu bewegen, Mylady«, sagte der Diener, »und die anderen Dienstleute haben es auch vergeblich versucht. Jetzt ist Mrs. Fairfax bei ihr und bittet und fleht, dass sie fortgehen möge; sie hat sich aber einfach einen Stuhl in der Ofenecke

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