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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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etwas gehabt haben würde. Amy und Louisa Eshton kicherten leise und verstohlen, sahen aber ängstlich und sehr befangen aus.
    Außerordentlich langsam schlichen die Minuten dahin. Wir zählten deren fünfzehn, bevor das Geräusch der sich öffnenden Bibliothekstür an unser Ohr schlug. Gleich darauf trat Miss Ingram wieder ein.
    Lachte sie? Hatte sie die ganze Sache als Scherz aufgefasst? Aller Augen waren mit intensivster Neugier auf sie geheftet, aber kalt und vorwurfsvoll begegneten ihre Blicke den unseren. Sie sah weder belustigt noch verwirrt aus. Stolz aufgerichtet und hochmütig schritt sie wieder auf ihren Platz zu und setzte sich ohne ein Wort.
    »Nun, Blanche?«, sagte Lord Ingram.
    »Was sagte sie, Schwester?«, fragte Mary.
    »Wie denkst du über sie? Wie fühlst du dich? Ist sie eine echte Wahrsagerin?«, fragten die Schwestern Eshton.
    »Nanana, meine Lieben«, entgegnete Miss Ingram, »erdrückt mich nicht mit euren Fragen. Wahrlich, euer Staunen und eure Leichtgläubigkeit sind einfach zu gewinnen. Nach der Bedeutsamkeit, welche ihr alle – meine teure Mutter inbegriffen – dieser Angelegenheit beilegt, scheint ihr ja wirklich zu glauben, dass wir gegenwärtig eine echte Hexe im Haus haben, die mit dem alten schwarzen Gentleman im Bunde ist. Ich habe nur eine Vagabundin gesehen, die auf die übliche Weise die hohe Wissenschaft der Handleserei betreibt und mir gesagt hat, was solche Leute halt immer so prophezeien. Ich habe meine Laune befriedigt, und jetzt würde ich es für das Beste halten, wenn Mr. Eshton, wie er anfangs gedroht hat, das alte Scheusal morgen früh einsperren ließe.«
    Miss Ingram nahm ein Buch, lehnte sich in den Sessel zurück und wies auf diese stumme aber deutliche Weise jede weitere Konversation zurück. Ich beobachtete sie dann wohl eine halbe Stunde hindurch; während dieser ganzen Zeit wandte sie nicht ein einziges Mal das Blatt um, und ihr Gesicht wurde zusehends düsterer, unzufriedener, und nahm immer mehr den Ausdruck der Enttäuschung und Bestürzungan. Augenscheinlich hatte sie nichts Angenehmes gehört, nichts, was mit ihren hochfliegenden Plänen übereinstimmte. Und trotz ihrer vorgeblichen Gleichgültigkeit schien es mir, als legte sie den ihr gemachten Enthüllungen eine ganz unberechtigte Wichtigkeit bei. Wenigstens erklärte ich mir auf diese Weise ihre düstere Schweigsamkeit und Verstimmung.
    Inzwischen erklärten Mary Ingram sowie Amy und Louisa Eshton, dass sie nicht den Mut hätten, allein zu gehen, aber zugleich hegte jede von ihnen das brennende Verlangen danach. Durch die Vermittlung des Gesandten Sam wurden Unterhandlungen eingeleitet, und nach vielem Hin- und Herlaufen wurde der strengen Sybille endlich die Erlaubnis abgerungen, dass ihr die drei jungen Damen vereint ihre Aufwartung machen durften.
    Dieser Besuch verlief nicht so still, wie jener Miss Ingrams. Aus dem Bibliothekszimmer drangen hysterisches Kichern und kleine, halb unterdrückte Schreie zu uns herüber. Nach zwanzig Minuten wurde endlich die Tür aufgerissen, und die jungen Mädchen kamen zu Tode erschrocken durch die Halle hereingestürzt.
    »Gewiss, bei der geht es nicht mit rechten Dingen zu!«, riefen sie wie aus einem Munde. »Die hat uns Sachen gesagt! Sie weiß alles über uns!« Und atemlos sanken sie in die verschiedenen Sessel und Stühle zurück, welche die Herren sich beeilten, ihnen zu bringen.
    Als man um weitere Erklärung in sie drang, erzählten sie, dass die Alte ihnen von Dingen gesprochen hätte, die sie gesagt und getan hatten, als sie noch kleine Kinder waren. Sie hatte ihnen von Nippsachen und Büchern gesprochen, welche sich zu Hause in ihren Boudoirs befanden, von Andenken, welche verschiedene Verwandte ihnen geschenkt hatten. Sie bestätigten, dass sie sogar ihre Gedanken erraten hatte. Und dass sie jeder von ihnen den Namen jener Person ins Ohr geflüstert hatte, welche ihnen die liebste auf derWelt sei. Auch ihre geheimen Wünsche hatte die Alte erraten.
    Hier sprachen die Herren die ernstliche Bitte aus, dass man sie ebenfalls über die beiden letztgenannten Punkte aufkläre, aber sie ernteten mit diesem anzüglichen Begehren nichts als schüchternes Erröten, Seufzer und Gekicher. Inzwischen wedelten die Matronen ihnen mit ihren Riesenfächern Luft zu, holten ihre Riechfläschchen hervor und sprachen ihr lebhaftes Bedauern aus, dass man ihre Warnung nicht rechtzeitig beachtet habe. Die älteren Herren lachten aus Leibeskräften und die jüngeren boten

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