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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Spiel!‹
    »Weshalb erschrecken Sie denn«, fuhr die seltsame Person fort, »Mrs. Poole ist eine zuverlässige Person, sehr ruhig und durchaus verschwiegen; jedermann kann ihr mit gutem Gewissen vertrauen. – Aber wie ich schon sagte: Wenn Sie in jener Fenstervertiefung sitzen, denken Sie an nichts als an Ihre künftige Schule? Hegen Sie gar kein Interesse für irgendeine der Gestalten, die auf jenen Sofas und Stühlen sitzen? Ist nicht ein Gesicht darunter, in dem Sie zu lesen suchen? Nicht eine Gestalt, deren Bewegungen Sie wenigstens mit … nun, sagen wir, mit Interesse verfolgen?«
    »Es macht mir Vergnügen, alle Gesichter und alle Gestalten zu studieren.«
    »Aber machen Sie denn keinen Unterschied mit einem oder vielleicht auch zweien?«
    »O gewiss, sehr oft sogar. Wenn ein Paar sich durch Gebärden oder Blicke verrät, so macht es mir das größte Vergnügen, sie zu beobachten.«
    »Und welche Geschichten lassen Sie sich dann am liebsten verraten?«
    »Ach, die Auswahl ist nicht so groß. Es dreht sich für gewöhnlich immer um dasselbe Thema – das Werben; und es endet für gewöhnlich mit derselben Katastrophe – mit der Heirat.«
    »Und darf ich fragen, ob dieses einförmige Thema Ihnen gefällt?«
    »Es ist mir eigentlich sehr gleichgültig. Was geht mich dieses Thema an?«
    »Was es Sie angeht? Wenn eine schöne, junge, vornehme, reiche Dame – strahlend von Leben und Gesundheit, bezaubernd, unterhaltsam, witzig – dasitzt, und einem Herrn zulächelt, den Sie …«
    »Nun, den ich was?«
    »Den Sie kennen, und von dem Sie vielleicht – gut denken.«
    »Ich kenne die Herren nicht, welche hier im Hause sind, ich habe kaum eine Silbe mit einem von ihnen gesprochen. Und was das ›gut denken‹ anbetrifft, so halte ich einige von ihnen für respektabel, stattlich und im besten Alter, und andere wieder für jung, elegant, schön und lebhaft. Aber es steht ihnen allen frei, sich anlächeln zu lassen, von wem sie wollen, ohne dass dies meine Gefühle auch nur im Mindesten berührt.«
    »Sie kennen die Herren hier im Hause nicht? Sie haben mit keinem derselben auch nur ein Wort gesprochen? Wollen Sie das von dem Herrn des Hauses auch behaupten?«
    »Er ist nicht zu Hause.«
    »Eine geistreiche Bemerkung, eine höchst originelle Spitzfindigkeit! Er hat sich heute Morgen nach Millcote begeben und wird noch heute Abend oder spätestens morgen früh zurückkommen. Schließt dieser Umstand ihn etwa aus der Liste Ihrer Bekannten aus? Verschwindet er dadurch ganz und gar aus Ihrem Leben? Bitte, antworten Sie mir darauf!«
    »Nein. Aber ich kann nicht recht einsehen, was Mr. Rochester mit dem von Euch berührten Thema zu tun hat.«
    »Ich sprach von Damen, welche die Herren verführerisch anlächeln! Und in letzter Zeit hat sich so manches Lächeln in Mr. Rochesters Augen gespiegelt, sodass diese davon überfließen wie zwei Schalen, die bis an den Rand mit edlem Rebensaft gefüllt sind. Haben Sie das niemals bemerkt?«
    »Mr. Rochester hat ein Recht, sich an der Gesellschaft seiner Gäste zu erfreuen, sollte ich doch meinen.«
    »Sein Recht stellt niemand in Frage! Aber ist es Ihnen denn niemals aufgefallen, dass die meisten und interessantesten und wildesten Heiratsgeschichten, die hier mit so großem Eifer kolportiert werden, stets Mr. Rochester zum Helden haben?«
    »Die Neugier des Zuhörers spornt die Zunge des Erzählers an.«
    Diese Worte sprach ich mehr zu mir selbst als zu der Zigeunerin, deren seltsame Sprache, Stimme und Art mich nach und nach in einen Traumzustand versetzt hatten. Ein unerwarteter Satz nach dem anderen kam von ihren Lippen, bis ich mich förmlich in ein Netz verwickelt sah. Ich dachte nur noch verwundert darüber nach, welch unsichtbarer Geist seit Wochen so dicht an meinem Herzen gesessen haben könne, um dessen Arbeit zu beobachten und jeden Pulsschlag zu verzeichnen.
    »Die Neugier des Zuhörers!«, wiederholte sie, »ja, Mr. Rochester hat stundenlang gesessen und sein Ohr den Worten jener bezaubernden Lippen geliehen, denen das Sprechen eine so unsagbare Wonne bereitet. Und Mr. Rochester war so unendlich dankbar für die Zerstreuung und den Zeitvertreib, welcher ihm auf diese Weise gewährt wurde. Haben Sie es bemerkt?«
    »Dankbar? Ich erinnere mich nicht, den Ausdruck der Dankbarkeit in seinem Gesicht entdeckt zu haben.«
    »›Entdeckt‹! Sie haben sich also doch so Ihre Gedanken gemacht. Und was haben Sie sonst entdeckt, wenn es nicht Dankbarkeit war?«
    Ich antwortete

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