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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Sie, weil Sie einsam sind – keine Berührung facht das Feuer, das in Ihnen glimmt, zur hellen Flamme an. Sie sind krank, weildas reinste der Gefühle, das höchste und süßeste, das dem Menschen in die Brust gelegt ist, Ihnen fern bleibt. Sie sind töricht und dumm, weil Sie diesem Gefühl kein Zeichen machen, sich Ihnen zu nähern – wie sehr Sie auch leiden mögen. Und Sie wollen auch keinen Schritt tun, um ihm dorthin entgegenzueilen, wo es auf Sie wartet.«
    Wiederum führte sie die kurze, schwarze Pfeife an die Lippen und begann in kräftigen Zügen zu rauchen.
    »Ihr wisst, dass Ihr dies alles ebenso gut zu jeder anderen sagen könntet, die einsam und in abhängiger Stellung in einem großen Hause lebt.«
    »Sagen könnte ich es wohl jeder – würde es aber auch auf jede passen?«
    »Auf jede, die so lebt wie ich.«
    »Ja, das ist’s: Auf jede, die lebt wie Sie. Aber finden Sie doch noch eine, die so lebt!«
    »Es wäre eine Kleinigkeit, Tausend solche zu finden.«
    »Es würde Ihnen schwerfallen, auch nur eine Einzige zu finden. Wissen Sie, Ihre Lage ist eine ganz besondere. Sie stehen dem Glück sehr nahe, ja, Sie brauchen nur die Hand danach auszustrecken. Das ganze Material zum Glück ist vorbereitet, es bedarf nur noch einer einzigen Handlung, um alles zusammenzufügen. Nur der Zufall hat es an getrennten Orten aufgehäuft. Lassen Sie es sich nähern – und das Ende wird Glück sein.«
    »Ich habe kein Verständnis für Rätsel. In meinem ganzen Leben war ich noch nicht imstande, eins zu lösen.«
    »Zeigen Sie mir Ihre Hand, wenn Sie wollen, dass ich deutlicher reden soll.«
    »Wahrscheinlich muss ich die Fläche mit Silber bedecken nicht wahr, Mütterlein?«
    »Natürlich.«
    Ich gab ihr einen Schilling; sie steckte ihn in einen alten Strumpf, den sie aus ihrer Tasche zog. Und nachdem sie diesen wieder zusammengebunden und in die Falten ihresRockes zurückgeschoben hatte, gebot sie mir, die Hand auszustrecken. Ich tat, wie mir geheißen. Sie näherte ihr Gesicht der Handfläche und sah sie lange sinnend an, ohne sie zu berühren.
    »Sie ist zu schön und fein«, sagte sie endlich. »Aus einer solchen Hand kann ich nichts lesen; sie hat fast gar keine Linien. Und außerdem – was kann eine Hand sagen? In ihr steht das Schicksal nicht geschrieben.«
    »Das glaube ich Euch wohl«, sagte ich.
    »Nein«, fuhr sie fort, »im Gesicht steht es zu lesen, auf der Stirn, um die Augen herum, in den Augen selbst, in den Linien des Mundes. Knien Sie nieder und heben Sie den Kopf empor.«
    »Ah, jetzt kommt Ihr der Wahrheit näher«, sagte ich, indem ich tat, was sie verlangte. »Nun werde ich bald anfangen, Euren Worten ein wenig Glauben zu schenken.«
    Ich kniete dicht vor ihr nieder. Sie stocherte das Feuer auf, sodass die verglimmenden Kohlen wieder etwas Licht verbreiteten. Da sie aber saß, warf der Schein nur einen noch tieferen Schatten über ihr Gesicht, während das meine hell beleuchtet wurde.
    »Ich möchte doch wissen, mit welchen Gefühlen Sie heute Abend zu mir ins Zimmer gekommen sind«, sagte sie, nachdem sie meine Züge eine Weile geprüft hatte. »Ich möchte wissen, welche Gefühle in Ihrem Herzen geschäftig sind, wenn Sie so stundenlang in jenem prächtigen, strahlenden Gesellschaftszimmer sitzen und die vornehmen, eleganten Leute vor Ihren Blicken auf- und abflattern wie die Figuren in einer Laterna magica. Zwischen Ihnen und jenen besteht doch so wenig Gemeinsamkeit, als wenn sie nur menschliche Schatten und nicht Gestalten aus Fleisch und Blut wären.«
    »Oft bin ich müde, oft auch schläfrig, selten einmal traurig.«
    »Dann nähren Sie also irgendeine geheime Hoffnung, dieSie erhebt und Sie mit süßen Flüstertönen auf die Zukunft vertröstet?«
    »Ich habe keine. Das Höchste, was ich zu erhoffen wage, ist, dass ich einmal imstande sein werde, Geld zu sparen, um mir ein kleines Haus mieten und darin eine Schule einrichten zu können.«
    »Eine kärgliche Nahrung, um das Leben der Seele zu fristen! Und wenn Sie in jener Fenstervertiefung sitzen – Sie sehen, ich kenne Ihr Leben bis in die kleinsten Details …«
    »Ihr habt das von den Dienstboten erfahren, Mütterchen?«
    »Ah, Sie halten sich also für sehr klug? Nun, vielleicht ist’s auch so. Um die Wahrheit zu gestehen: Ich kenne eine von ihnen, eine Mrs. Poole …«
    Ich sprang auf, als ich diesen Namen hörte.
    ›Aha, sicher doch kennt Ihr diese‹, dachte ich, ›es ist also doch eine Teufelei dabei im

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