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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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die Wiege, um ihn zu begrüßen. Dann bestand sie darauf, dass ich meine Haube abnehme und eine Tasse Tee trinke, denn ich würde so müde und blass aussehen, sagte sie. Ich war froh und nahm ihre Gastfreundschaft dankend an. So widerstandslos, wie ich mich als Kind von ihr entkleiden ließ, gestattete ich ihr auch jetzt, mir meine Reisekleider abzunehmen.
    Wie die alten Zeiten in meiner Erinnerung wieder auflebten, als ich ihrem geschäftigen Treiben zusah! Sie deckte den Teetisch mit ihrem besten Porzellan, schnitt Brot und brachte Butter, röstete Teegebäck und gab dem kleinen Robert oder der kleinen Jane hier und da einen Klaps, gerade wie sie es in vergangenen Zeiten mit mir zu tun pflegte. Bessie hatte sich ihr rasches Wesen ebenso gut bewahrt, wie ihren leichten Schritt und ihr hübsches Äußeres.
    Als der Tee fertig war, wollte ich mich zum Tisch begeben, aber in ihrem alten, befehlenden Ton sagte sie mir, ich solle sitzenbleiben, wo ich war. Sie sagte, ich würde am Kaminfeuer bedient werden. Und dann stellte sie einen kleinen runden Tisch mit meiner Tasse und einem Teller Toast vor mich hin, gerade so, wie sie mich früher mit irgendeinemheimlich erbeuteten Leckerbissen zu versorgen pflegte, wenn ich in meinem Kinderstuhl saß. Ich lächelte und gehorchte ihr gern, wie ich es auch damals getan hatte.
    Sie wollte dann wissen, ob ich auf Thornfield Hall glücklich wäre, und ich sollte ihr erzählen, was für eine Persönlichkeit die Frau des Hauses sei. Und als ich ihr gesagt hatte, dass Thornfield nur einen Herrn habe, wollte sie wissen, ob er liebenswürdig und gut sei und ob ich ihn gern habe. Ich erzählte ihr, dass er zwar ein eher hässlicher Mann, aber durchaus ein Gentleman sei, dass er mich mit großer Güte behandelte und dass ich mich dort glücklich fühlte. Ferner beschrieb ich ihr die lustige Gesellschaft, die sich jetzt auf Thornfield Hall aufhielt, und diesen Details hörte Bessie mit wachem Interesse zu – es waren Dinge, die einen großen Reiz für sie hatten.
    Unter solchen Gesprächen verging eine Stunde gar schnell. Bessie brachte mir schließlich meine Haube, und von ihr begleitet, verließ ich das Pförtnerhäuschen, um mich hinauf ins Herrenhaus zu begeben. Sie hatte mich ebenfalls begleitet, als ich vor fast neun Jahren denselben Pfad hinuntergegangen war, den ich jetzt hinaufstieg. An einem düsteren, nebeligen, rauen Januarmorgen hatte ich mit verzweifeltem, erbittertem Herzen ein feindliches Dach verlassen, beinahe wie eine Verurteilte oder Gesetzlose, um in den frostigen Hafen von Lowood einzulaufen – dieses damals ferne, unbekannte Land. Jetzt stieg wieder jenes feindliche Dach vor mir empor. Meine Aussichten waren noch immer zweifelhaft, noch immer schmerzte mir das Herz. Noch immer fühlte ich mich wie ein Wanderer auf der Erde – aber ich hatte ein festeres Vertrauen zu mir selbst und zu meiner Kraft erlangt und fürchtete mich weniger vor dem Unterdrücktsein. Die klaffende Wunde meiner Misshandlung war jetzt geheilt; die Flamme meines Grolls war erloschen.
    »Sie müssen sich zuerst in das Frühstückszimmer begeben«,sagte Bessie, als sie vor mir die Halle betrat, »die jungen Damen werden dort sein.«
    Im nächsten Augenblick stand ich in diesem Raum. Jedes Einrichtungsstück sah noch genauso aus wie an jenem Morgen, als ich zum ersten Mal Mr. Brocklehurst vorgestellt wurde. Der Teppich, auf dem er gestanden hatte, lag noch immer vor dem Kamin. Als mein Blick über die Bücherschränke schweifte, meinte ich zu erkennen, dass jene zwei Bände »Bewicks Britische Vogelkunde« noch auf ihrem alten Platz auf dem dritten Regal standen, und »Gullivers Reisen« und »Tausendundeine Nacht« standen gerade darüber. Die leblosen Dinge waren ganz wie immer – die Menschen jedoch waren bis zur Unkenntlichkeit verändert.
    Zwei junge Damen erschienen vor mir. Die eine war sehr groß, fast so groß wie Miss Ingram, aber sehr dünn, mit fahlem Teint und strengen Zügen. Es lag etwas Asketisches in ihrem Blick, das noch verstärkt wurde durch die außerordentliche Schlichtheit eines schwarzwollenen Kleides mit glattem Rock, einen weißen Leinwandkragen, stramm aus der Stirn gekämmten Haaren und einen nonnenhaften Schmuck, der aus einer Schnur Ebenholzperlen und einem großen Kruzifix bestand. Es konnte nicht anders sein – dies war Eliza, obgleich ich in ihrem langen, blutleeren Gesicht wenig Ähnlichkeit mit ihrem früheren Selbst entdecken konnte.
    Die andere war also

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