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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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holen lassen«, sagte ich, »und jetzt bin ich hier. Und es ist meine Absicht zu bleiben, bis ich sehe, dass es sich mit Ihnen zum Besseren wendet.«
    »O natürlich! Hast du meine Töchter gesehen?«
    »Ja.«
    »Gut, du kannst ihnen sagen, dass ich wünsche, dich hier zu behalten, bis ich mit dir über einige Dinge sprechen kann, die ich im Kopf habe. Heute Abend ist es zu spät, und es wird mir jetzt auch schwer, mich auf die Angelegenheit zu besinnen. Aber ich wollte dir auch etwas sagen … was war es doch gleich …«
    Der wirre Blick und die veränderte Sprache zeigten mir nur zu deutlich, wie weit die Zerstörung in diesem einst so kraftvollen Körper bereits fortgeschritten war. Unruhig warf sie sich hin und her und zog dabei das Bettzeug mit. Mein Ellbogen, der auf einer Ecke des Bettes ruhte, fixierte die Bettdecke. Das verstörte sie augenblicklich.
    »Sitz gerade!«, befahl sie. »Und ärgere mich nicht, indem du die Decke festhältst! Bist du Jane Eyre?«
    »Ich bin Jane Eyre.«
    »Ich habe mehr Mühe und Kummer und Verdrießlichkeiten mit dem Kind gehabt, als irgendein Mensch glauben würde. Mir eine solche Last aufzubürden! Und wie viel Ärger sie mir täglich und stündlich mit ihrem unbegreiflichen Charakter verursacht hat, mit ihren Ausbrüchen von Heftigkeit und ihrem unnatürlichen, fortwährenden Lauern und Horchen auf alles, was man tat! Ich kann versichern, sie hat eines Tages zu mir gesprochen wie eine Wahnsinnige oder wie ein Teufel – kein Kind hat jemals ausgesehen oder gesprochen wie sie! Kein Kind! Ich war so froh, sie aus dem Haus zu haben. Was haben sie in Lowood eigentlich mit ihr gemacht? Das Fieber brach dort aus, und viele, viele Schülerinnen sind gestorben. Aber sie – sie starb nicht. Ich habe trotzdem gesagt, dass sie tot sei! Ich wünschte, dass sie gestorben wäre!«
    »Ein seltsamer Wunsch, Mrs. Reed! Weshalb hassen Sie sie so sehr?«
    »Ich habe ihre Mutter immer gehasst, denn sie war die einzige Schwester meines Mannes, und er hing mit unsäglicher Liebe an ihr. Er hinderte die Familie daran, sie zu verstoßen, als sie jene abscheuliche, niedere Ehe schloss. Und als die Nachricht von ihrem Tode kam, weinte er wie ein Narr. Er wollte durchaus, dass das Baby geholt werde, obgleich ich ihn anflehte, das Kind lieber in die Kost zu geben und für seine Erhaltung zu bezahlen. Ich hasste es schon, als meine Augen es zum ersten Mal sahen – ein kränkliches, weinerliches, elendes Ding! Die ganze Nacht hindurch konnte es in seiner Wiege liegen und winseln. Es schrie nicht herzlich und kräftig wie andere Kinder, nein, es stöhnte und wimmerte. Reed hatte Erbarmen mit ihm. Und er pflegte es und kümmerte sich darum, als wenn es sein eigenes Kind gewesen wäre, nein, mehr als er jemals die eigenen Kinder beachtet hatte, als sie in jenem Alter waren. Er versuchte auch, meine Kinder freundlich gegen die kleine Bettlerin zu stimmen, aber meine Lieblinge konnten sie nicht leiden, und erwurde ärgerlich, wenn sie ihre Abneigung zeigten. Als er dann erkrankte, ließ er das Kind fortwährend an sein Bett bringen, und kaum eine Stunde vor seinem Tod ließ er mich einen heiligen Eid ablegen, dass ich das Geschöpf stets erhalten und versorgen wolle. Mir wäre es lieber gewesen, wenn man mir die Sorge für ein Bettlerkind aus dem Arbeitshaus zur Pflicht gemacht hätte. Aber er war schwach, schwach von Natur. John ist seinem Vater durchaus nicht ähnlich – und ich bin froh darüber. John ist mir und meinen Brüdern ähnlich, er ist ein ganzer Gibson. O ich wollte, er hörte auf, mich mit seinen Bettelbriefen um Geld zu quälen! Ich habe nichts mehr, das ich ihm geben könnte: Wir verarmen! Ich muss die Hälfte der Dienstboten fortschicken und einen Teil des Hauses abschließen – oder es vermieten. Ich kann mich nicht dareinfinden, das zu tun – jedoch, wie soll es sonst mit uns weitergehen? Zwei Drittel meines Einkommens gehen für die Zinsen der Hypotheken drauf. John spielt ganz fürchterlich, und er verliert immer, der arme Junge! Er ist von lauter Gaunern umgeben. John ist ganz gesunken und verkommen – er sieht grauenhaft aus – ich schäme mich für ihn, wenn ich ihn sehe …«
    Jetzt geriet sie in eine furchtbare Aufregung. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich sie jetzt verlasse«, sagte ich zu Bessie, die an der anderen Seite des Bettes stand.
    »Vielleicht wäre es besser, Miss. Gegen Abend spricht sie oft in dieser Weise – des Morgens ist sie gewöhnlich viel

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