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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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niedergelassen hätte. Alles Heu war hereingebracht. Die Wiesen um Thornfield waren grün und kurz geschoren, die Landstraßen waren heiß und staubig, und die Bäume prangten in dunklem Grün. Hecken und Bäume in ihrem vollen dunklen Blätterschmuck kontrastierten auf das Prächtigste mit den hellen Matten, auf denen sie standen.
    Am Johannisabend war Adèle, die den ganzen Tag bei Hay wilde Erdbeeren gesucht hatte und daher zu Tode ermüdet war, zusammen mit der Sonne schlafen gegangen. Ich hatte ihr dabei zugesehen, wie sie einschlief. Dann verließ ich sie und ging in den Garten.
    Es war die schönste von allen vierundzwanzig Stunden. Das glühende Feuer des Tages war erloschen, und auf die lechzende Erde und die durstigen Hügel fiel der wohltätige Tau. Wo die Sonne in ihrer schlichten Pracht untergegangen war, ohne sich mit dem Pomp der Wolken zu umgeben, zog sich ein feierlicher, roter Streifen hin, in dem es hier und da funkelte wie das Feuer eines roten Edelsteins oder die Flamme eines lodernden Glutofens. Hoch und weit, schwächer und schwächer werdend, zog er sich über den halben Horizont. Im tiefblauen Osten stieg ein einzelner Stern empor, bald sollte ihm der Mond folgen, der jetzt noch hinter dem Horizont war.
    Eine Weile ging ich auf der gepflasterten Terrasse hin und her, bald aber drang ein wohlbekannter Duft – der einer Zigarre – aus einem der geöffneten Fenster. Ich bemerkte, dass der Fensterflügel des Bibliothekszimmers vielleicht eine Handbreit geöffnet war, und ich wusste, dass man mich von dort aus möglicherweise beobachten konnte; deshalb ging ich hinunter in den Obstgarten. Im ganzen Park war kein Winkel, der sich an Ruhe und paradiesischer Schönheitmit diesem hätte messen können – hier wuchsen die schattenreichsten Bäume und die duftendsten Blumen. Eine sehr hohe Mauer trennte den Platz vom Wirtschaftshof auf der einen Seite, auf der anderen verdeckte eine Buchenallee den großen dahinterliegenden Rasen. Am äußersten Ende war ein Graben die einzige Scheide zu einsamen Kornfeldern; zu diesem Graben führte ein gewundener Fußpfad, an welchem sich Lorbeerbäume entlangzogen und der vor einem riesenhaften Kastanienbaum endete, um dessen Stamm herum eine bequeme Bank aufgestellt war. Hier konnte man ungesehen umherwandern. Der Tau fiel, es wurde dunkler und immer dunkler, stiller und immer stiller, und mir war, als könnte ich an diesem geschützten Ort für immer verweilen. Als ich aber die Blumenbeete und Baumgruppen am oberen Ende dieses abgesonderten Winkels überblickte, wurde mein Schritt plötzlich gehemmt – nicht durch einen Gegenstand, nicht durch einen Laut, sondern wiederum durch einen verräterischen Duft.
    Jasmin und Nelken, Stabwurz und Feldrosen haben längst ihr allabendliches Opfer an Weihrauch dargebracht; dieser neue Duft entsteigt weder einer Blume noch einem Strauch – er entströmt, ich weiß es nur zu wohl, Mr. Rochesters Zigarre. Ich blicke umher und lausche. Ich sehe die mit reifenden Früchten beladenen Bäume. Eine halbe Meile von hier entfernt, in einem lieblichen Gehölz, höre ich eine Nachtigall schlagen. Keine sich bewegende Gestalt ist sichtbar, kein nahender Schritt hörbar, aber jener Duft wird stärker: Ich muss fliehen. Ich schreite auf die Gitterpforte zu, welche in die Baumschule führt – und sehe Mr. Rochester eintreten. Ich trete seitwärts in eine efeuumrankte Nische; er wird ja nicht lange verweilen; bald wird er dorthin zurückkehren, von wo er gekommen ist, und wenn ich mich sehr ruhig verhalte, wird er mich vielleicht nicht sehen.
    Aber nein – die Abendruhe ist ihm ebenso wohltuend wie mir, und dieser altertümliche Garten übt die gleicheAnziehungskraft auf ihn aus: Er schlendert weiter. Jetzt hebt er den Zweig eines Stachelbeerbusches empor, um die reifenden Früchte zu prüfen, welche so groß wie Pflaumen sind und schwer zu Boden hängen. Dann pflückt er eine reife Kirsche vom Spalier, nun wieder beugt er sich zu einer Blumengruppe nieder, entweder um ihren Duft einzuatmen, oder um die Tautropfen in ihren Kelchen zu bewundern. Ein großer Falter summt an mir vorüber, er lässt sich auf einer Pflanze zu Mr. Rochesters Füßen nieder. Dieser sieht ihn und beugt sich, um ihn genauer zu betrachten.
    ›Jetzt wendet er mir den Rücken‹, dachte ich, ›und ist emsig beschäftigt. Wenn ich sehr leise und geräuschlos gehe, komme ich vielleicht ungesehen davon.‹
    Ich schlich am Rande der Beete entlang, damit das Knirschen

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