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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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der Kieselsteine, mit denen die Wege bestreut waren, mich nicht verraten konnte. Einige Fußbreit von der Stelle entfernt, an welcher ich vorbeimusste, stand er zwischen den Blumen; augenscheinlich beschäftigte der Falter ihn. ›Ich werde gewiss unbemerkt vorbeikommen‹, dachte ich. Als ich jedoch über seinen Schatten, welchen der eben aufgegangene Mond über den Fußpfad warf, hinwegschritt, sagte er ruhig und ohne sich umzuwenden:
    »Jane, kommen Sie her und sehen Sie sich diesen Burschen an!«
    Ich hatte kein Geräusch gemacht, er hatte auch keine Augen auf dem Rücken – konnte sein Schatten denn fühlen? Im ersten Augenblick schrak ich zusammen, dann näherte ich mich ihm.
    »Sehen Sie sich die Flügel an«, sagte er, »sie erinnern mich an ein westindisches Insekt; in England sieht man einen so großen und lustigen Nachtschwärmer nicht oft. Da – nun ist er fort!«
    Und der Falter flog davon. Auch ich wollte mich leise davonmachen, aber Mr. Rochester folgte mir, und als wir die Pforte erreichten, sagte er:
    »Kehren Sie mit mir um, es ist eine Sünde, an einem so herrlichen Abend im Haus zu sitzen. Und niemand kann doch wünschen, sein Lager aufzusuchen, wenn Sonnenuntergang und Mondaufgang so wundersam zusammentreffen.«
    Es ist einer meiner Mängel, dass meine Zunge, die oft so leicht die passende Antwort findet, mir dann zuweilen den Dienst versagt, wenn es gilt, eine Entschuldigung vorzubringen oder wenn ein leicht hingeworfenes Wort und ein plausibler Vorwand mich aus einer peinlichen Verlegenheit reißen könnten. Es war mir nicht angenehm, um diese Stunde mit Mr. Rochester allein im Obstgarten spazieren zu gehen; aber mir fiel keine Ausrede ein, mit der ich ihn hätte verlassen können.
    Mit zögernden Schritten folgte ich ihm, mein Gehirn mühte sich ab, ein Mittel zu finden, um mich aus der Affäre zu ziehen, aber er selbst sah so ruhig und ernst aus, dass ich begann, mich meiner Verwirrung zu schämen: Schlimme Hintergedanken – wenn sie denn vorhanden sein sollten – schienen nur mir zu kommen; seine Stimmung schien ruhig und gefasst zu sein.
    »Jane«, begann er, als wir in den Lorbeerweg traten und langsam in Richtung des Grabens und des Kastanienbaumes schritten, »Jane, Thornfield ist ein prächtiger Aufenthalt im Sommer, nicht wahr?«
    »Ja, Sir.«
    »Das Haus muss Ihnen doch schon ein wenig lieb geworden sein, Ihnen, die Sie ein Auge für Naturschönheit haben und einen stark ausgebildeten Sinn der Sesshaftigkeit.«
    »Allerdings, ich hänge an Thornfield.«
    »Und obgleich ich nicht begreife, wie es zugeht, so bemerke ich doch, dass Sie eine Art von Zuneigung für das törichte kleine Ding, die Adèle, und ebenso für die bescheidene Dame Fairfax gefasst haben.«
    »Ja, Sir, in verschiedener Weise habe ich beide herzlich lieb.«
    »Und würde es Ihnen schwerfallen, sich von beiden zu trennen?«
    »Gewiss.«
    »Wie schade!«, sagte er seufzend. Dann schwieg er lange. »So geht es immer im Leben«, fuhr er nach einer Weile fort, »kaum hat man einen glücklichen Ruhefleck gefunden, schon ertönt die Stimme, die einem zuruft aufzustehen und weiterzugehen, denn die Stunde der Ruhe ist vorüber.«
    »Muss ich denn weitergehen, Sir?«, fragte ich. »Muss ich Thornfield wieder verlassen?«
    »Ich glaube, Sie müssen, Jane. Es tut mir leid, Janet, aber ich glaube wirklich, dass Sie fort müssen.«
    Das war ein Schlag, aber ich ließ mich nicht von ihm zu Boden schmettern.
    »Nun, Sir, ich werde bereit sein, wenn der Befehl zum Aufbruch kommt.«
    »Er kommt jetzt – ich muss ihn schon heute Abend erteilen.«
    »Sie wollen sich also verheiraten, Sir?«
    »Sie haben es erraten – vollkommen erraten. Mit Ihrer üblichen Klugheit haben Sie den Nagel genau auf den Kopf getroffen.«
    »Bald, Sir?«
    »Sehr bald, meine … Miss Eyre. Und Sie werden sich noch erinnern, als ich – oder als das Gerücht Ihnen zum ersten Mal mitteilte, dass es meine Absicht sei, meinen alten Junggesellennacken unter das heilige Joch zu beugen, in den heiligen Stand der Ehe zu treten, kurz: Miss Ingram an meine Brust zu ziehen – da hat man wirklich etwas im Arm; aber das ist nicht der Punkt, man kann ja eigentlich nie genug von so etwas Exquisitem wie meiner schönen Blanche haben – also … nun, wie ich schon sagte – hören Sie, Jane! Sie wenden doch nicht etwa den Kopf ab, um noch mehr Nachtfalter zu suchen? Es war nur ein Verirrter, der heimwärts flog. Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass Sie dieErste

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