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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Jane?«
    Es war mir in diesem Augenblick nicht möglich, irgendeine Antwort zu geben; mein Herz war zu voll.
    »Denn«, fuhr er fort, »zuweilen habe ich eine so seltsame Empfindung Ihnen gegenüber, besonders wenn Sie mir so nahe sind wie in diesem Augenblick. Es ist, als hätte ich unter meiner linken Rippe irgendwo einen Faden, welcher fest und unauflöslich mit einem gleichen Faden an derselben Stelle Ihres kleinen Körpers verknüpft wäre. Und ich fürchte, dass dies vereinigende Band für immer zerreißt, wenn jener stürmische Kanal und mehr als zweihundert Meilen Land zwischen uns liegen. Und ich hege eine nervöse Angst, dass ich dann an innerer Verblutung sterben müsste. Was Sie anbetrifft, Sie würden mich bald vergessen.«
    »Das könnte ich
niemals
, Sir, wissen Sie …« – es war unmöglich fortzufahren.
    »Jane, hören Sie die Nachtigall dort drüben im Wald schlagen? Horchen Sie nur!«
    Während ich lauschte, begann ich krampfhaft zu schluchzen. Ich konnte mein Empfinden nicht länger unterdrücken,ich musste nachgeben, und mein lange zurückgehaltener Schmerz schüttelte mich von Kopf bis Fuß. Als ich wieder redete, geschah es nur, um den leidenschaftlichen Wunsch auszusprechen, dass ich doch niemals geboren oder niemals nach Thornfield gekommen wäre.
    »Weil es Ihnen schwer wird, wieder von hier fortzugehen, Jane?«
    Machtvolle Empfindungen, durch Kummer und Liebe in mir erweckt, rangen nach der Oberherrschaft und wollten sich Bahn brechen, wollten leben, sich erheben, herrschen und – ja, wollten auch reden.
    »Ich trauere, weil ich Thornfield verlassen soll, denn ich liebe Thornfield. Ich liebe es, weil ich hier ein volles und glückliches Leben gelebt habe – für kurze Augenblicke wenigstens. Man hat mich hier nicht mit Füßen getreten, und ich musste mich nicht in mir selbst verschließen. Ich musste nicht mit niedrig denkenden, rohen Menschen zusammenleben und ich bin nicht von der Gemeinschaft mit allem ausgeschlossen worden, was hell, kraftvoll und erhaben ist. Ich habe von Angesicht zu Angesicht mit einem originellen, kraftvollen und weiten Geist reden können – etwas, das ich verehre und woran ich meine Freude habe. Ich habe Sie kennengelernt, Mr. Rochester, und es erfüllt mich mit Angst und Schrecken, dass ich mich für immer von Ihnen losreißen soll. Ich sehe die Notwendigkeit der Abreise vor mir, und sie erscheint mir wie die Notwendigkeit des Sterbens.«
    »Wo sehen Sie die Notwendigkeit?«, fragte er plötzlich. »Wo ich sie sehe? Sie selbst, Sir, haben sie mir doch vor Augen gestellt.«
    »In welcher Gestalt?«
    »In der Gestalt von Miss Ingram, einer edlen, schönen Frau – Ihrer Braut.«
    »Meiner Braut! Welcher Braut? Ich habe keine Braut!«
    »Aber Sie werden eine haben.«
    »Ja, das werde ich! – Das werde ich!« Und fest entschlossen biss er die Zähne zusammen.
    »Und deshalb muss ich gehen – Sie selbst haben es ja gesagt.«
    »Nein: Sie müssen bleiben! Das schwöre ich, und dieser Eid wird gehalten.«
    »Und ich sage Ihnen, dass ich gehen muss«, entgegnete ich leidenschaftlich. »Glauben Sie, dass ich bleiben kann, um ein Nichts für Sie zu werden? Meinen Sie denn, dass ich ein Automat bin, eine Maschine ohne Gefühl? Und dass ich es ertragen kann, wenn man mir den Bissen Brot vom Mund und den Wassertropfen aus meinem Becher hinwegstiehlt? Glauben Sie, dass ich ohne Seele, ohne Herz bin, weil ich arm, klein, hässlich und einsam bin? Sie irren sich! Ich habe eine ebenso große Seele wie Sie und ebenso viel Herz! Wenn Gott mir nur ein wenig Schönheit und Reichtum geschenkt hätte, so würde ich es Ihnen ebenso schwer gemacht haben, mich zu verlassen, wie es mir jetzt wird, von Ihnen zu gehen. Ich spreche in diesem Augenblick nicht zu Ihnen, wie es Bräuche und Konventionen erforderten, und es ist auch nicht die Stimme des Fleisches, die hier spricht – es ist meine Seele, die zu der Ihren redet. Es ist, als hätten wir beide das Grab hinter uns gelassen und stünden zu den Füßen Gottes – einander gleich, was wir ja sind!«
    »Was wir sind!«, wiederholte Mr. Rochester – »So«, fügte er hinzu, schloss mich in seine Arme, zog mich an seine Brust und drückte seinen Mund auf meine Lippen. »So, Jane!«
    »Ja, so, Sir«, erwiderte ich, »und doch nicht so. Denn Sie sind ein verheirateter Mann – oder so gut wie verheiratet. Und sogar verheiratet mit einer, die weit unter Ihnen steht – mit einer, mit der Sie nichts gemein haben und von der ich

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