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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Schulter ruhte. Ich liebte ihn sehr, mehr als ich den Mut hatte, ihm zu gestehen, mehr als Worte überhaupt auszudrücken vermochten.
    »Verlange noch etwas anderes von mir«, sagte er nach einigen Sekunden, »es ist eine Wonne, gebeten zu werden und zu gewähren.«
    Ich hatte meine Bitte erneut parat: »Teilen Sie Ihre Absichten Mrs. Fairfax mit, Sir, Sie hat mich gestern Abend mit Ihnen in der Halle gesehen, und sie war empört. Geben Sie ihr irgendeine Erklärung, bevor ich genötigt bin, wieder mit ihr zusammenzutreffen. Es kränkt mich, dass eine so gute Frau wie sie mich falsch beurteilt.«
    »Geh auf dein Zimmer und setze deinen Hut auf«, entgegnete er. »Ich wünsche, dass du mich heute Vormittagnach Millcote begleitest. Und während du deine Vorbereitungen für die Fahrt triffst, will ich die alte Dame aufklären. Hat sie gedacht, Janet, dass du die Welt für die Liebe eingetauscht hättest?«
    »Ich glaube, sie meinte, dass ich sowohl Ihre Stellung wie auch meinen Platz vergessen hätte, Sir.«
    »Stellung, Platz! Dein Platz ist in meinem Herzen; das sollen diejenigen schon im Nacken zu spüren bekommen, die dich jetzt oder in Zukunft beleidigen möchten. – Geh jetzt.«
    Ich war bald bereit. Und als ich hörte, dass Mr. Rochester Mrs. Fairfax’ Wohnzimmer verließ, eilte ich hinunter zu ihr. Die alte Dame hatte gerade ihr Morgenkapitel aus der Bibel gelesen – die Epistel für den Tag. Die Bibel lag aufgeschlagen vor ihr, und die Brille lag zwischen den Blättern. Die Beschäftigung, bei welcher sie durch Mr. Rochesters Nachricht unterbrochen worden war, schien jetzt vergessen. Ihre Augen, welche auf die gegenüberliegende leere Wand geheftet waren, drückten das Erstaunen eines stillen Gemüts aus, das durch überraschende Nachrichten aus seiner gewohnten Ruhe aufgescheucht worden ist. Als sie mich sah, erhob sie sich, machte eine leise Anstrengung zu lächeln und stotterte einige beglückwünschende Worte. Aber das Lächeln schwand dahin, und ihr Satz blieb unvollendet. Sie setzte die Brille wieder auf, schloss die Bibel und schob ihren Stuhl vom Tisch zurück.
    »Ich bin so außerordentlich überrascht«, begann sie alsdann, »ich weiß kaum, was ich Ihnen sagen soll, Miss Eyre. Ich glaube fast geträumt zu haben, aber dem ist nicht so, nicht wahr? Wenn ich hier so allein sitze, falle ich manchmal in eine Art Halbschlaf, und dann sehe und höre ich allerhand Dinge, die gar nicht existieren. Mehr als einmal habe ich in meinem Schlummer meinen armen teuren Mann gesehen, wie er hereinkam und sich an meine Seite setzte. Er ist nun schon über fünfzehn Jahre tot, und doch habe ich ihn mich beim Namen rufen hören – ich hörte ihn ›Alice‹rufen, wie er es zu tun pflegte. Nun, können Sie mir sagen, ob es wirklich und wahrhaftig wahr ist, dass er Sie gebeten hat, ihn zu heiraten? Lachen Sie mich nicht aus! Aber mir ist wirklich, als wäre er vor kaum fünf Minuten hier im Zimmer gewesen und hätte mir erzählt, dass Sie in einem Monat seine Frau sein würden.«
    »Dasselbe hat er mir gesagt«, entgegnete ich.
    »Hat er das! Und glauben Sie ihm? Haben Sie eingewilligt?«
    »Ja.«
    Sie blickte mich bestürzt an.
    »Das hätte ich nimmermehr gedacht. Er ist ein stolzer Mann. Alle Rochesters waren stolz, und sein Vater wenigstens liebte auch das Geld gar sehr. Auch von ihm sagte man stets, dass er sehr vorsichtig und sparsam sei. Er hat wirklich die Absicht, Sie zu heiraten?«
    »Wenigstens sagt er mir das.«
    Sie musterte mich von Kopf bis Fuß. In ihren Augen las ich, dass sie keine Reize an mir fand, die stark genug gewesen wären, das Rätsel zu lösen.
    »Nein, es geht über meinen Verstand«, fuhr sie fort, »aber es muss natürlich wahr sein, wenn Sie selbst es sagen. Wie das ausgehen wird: Ich weiß es wahrlich nicht. Gleichheit der Stellung und des Vermögens sind in solchen Fällen oft sehr ratsam, und der Altersunterschied zwischen Ihnen beträgt mehr als zwanzig Jahre. Er könnte fast Ihr Vater sein.«
    »Nein wirklich, Mrs. Fairfax!«, rief ich ärgerlich aus. »Er hat durchaus nichts von einem Vater. Niemand, der uns jemals beisammen gesehen hat, würde Derartiges vermuten. Mr. Rochester sieht so jung aus und ist so jung wie viele Männer mit fünfundzwanzig Jahren.«
    »Und wird er Sie wirklich aus Liebe heiraten?«, fragte sie dann wieder.
    Ihr Skeptizismus und ihre Kälte verletzten mich derartig, dass meine Augen sich mit Tränen füllten.
    »Es tut mir leid, dass es Sie schmerzt«,

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