Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
meine Mitmenschen. Dass solch ein Los mir zuteil werden sollte, ist ein Feenmärchen – ein Tagtraum.«
»Den ich in Erfüllung gehen lassen kann und werde. Noch heute werde ich mit der Verwirklichung beginnen. Heute Morgen habe ich an meinen Bankier in London geschrieben, dass er mir gewisse Juwelen schickt, die er in Verwahrung hat – Erbstücke der Gebieterinnen von Thornfield. In zwei, drei Tagen hoffe ich, sie dir in den Schoß schütten zu können, denn jedes Vorrecht und alle Aufmerksamkeiten sollen dir zuteilwerden, die der Tochter eines Adligen gebühren, wenn sie heiratet.«
»O Sir, sprechen Sie nicht von Juwelen, ich will davon nichts hören! Juwelen für Jane Eyre, das klingt seltsam und unnatürlich! Ich möchte sie lieber nicht haben.«
»Ich selbst will die Diamantenkette um deinen Hals legen und deine Stirn mit dem Diadem krönen! Wie herrlich wird es dich kleiden, denn die Natur hat dir den Adelsbrief auf die Stirn geschrieben, Jane! Und ich will diese zarten Gelenke mit Armbändern schmücken, und diese kleinen Finger mit kostbaren Ringen beladen.«
»Nein, nein, Sir! Denken Sie an andere Dinge, sprechen Sie von anderen Sachen und mit anderen Worten! RedenSie nicht zu mir, als ob ich eine Schönheit wäre, ich bin nichts als Ihre einfache, puritanische Gouvernante.«
»In meinen Augen bist du eine Schönheit, und gerade eine Schönheit nach meinem Herzen – zart und elfengleich.«
»Klein und unbedeutend, wollten Sie sagen. Ach, Sie träumen, Sir, oder Sie spotten meiner. Um der himmlischen Barmherzigkeit willen, seien Sie nicht ironisch!«
»Ich werde es auch noch dahin bringen, dass die Welt dich als Schönheit anerkennt«, fuhr er fort. Die Art und Weise seiner Rede machte mich unruhig, denn ich fühlte, dass er entweder mich oder sich selbst zu täuschen versuchte. »Ich will meine Jane in Seide und Spitze kleiden, und sie soll Rosen im Haar tragen. Und das Haupt, das ich am meisten liebe, will ich mit einem kostbaren Schleier bedecken.«
»Und dann werden Sie mich nicht mehr kennen, Sir; und ich werde Ihre alte Jane Eyre nicht mehr sein, sondern ein Affe in einer Harlekinsjacke – eine Elster in geborgten Federn. Wahrlich, Mr. Rochester, ich möchte lieber Sie in einem Theaterkostüm sehen, als mich selbst in dem Kleid einer Hofdame. Und ich sage nicht, dass Sie schön sind, Sir, obgleich ich Sie grenzenlos liebe – viel zu innig liebe, um Ihnen zu schmeicheln. Deshalb also schmeicheln auch Sie mir nicht.«
Er fuhr jedoch fort, ohne meine Missbilligung zu bemerken: »Noch heute werde ich dich nach Millcote hinüberfahren, damit du einige Kleider für dich wählst. Ich habe dir ja gesagt, dass wir in vier Wochen verheiratet sein werden. Die Trauung wird in aller Stille vollzogen, dort unten in jener Kirche, und dann werde ich dich sofort nach der Hauptstadt bringen. Nach einem kurzen Aufenthalt in London werde ich meinen Schatz in Regionen tragen, welche der Sonne näher sind, nach französischen Weingärten und italienischen Ebenen, und du wirst alles sehen, was berühmt in der alten Geschichte und wertvoll und kostbar in derNeuzeit ist. Du sollst auch das Leben in den großen Städten sehen, und du wirst durch den gerechten Vergleich mit anderen lernen, dich selbst hoch zu schätzen.«
»Ich soll reisen? – Und mit Ihnen, Sir?«
»Du sollst in Paris, Rom und Neapel verweilen, in Florenz, Venedig und Wien. Du sollst den Boden betreten, über den ich einst gewandelt bin; dein kleiner Fuß soll über die Stätten schweben, auf denen ich einst stand. Vor zehn Jahren bin ich wie ein Wahnsinniger durch ganz Europa geflohen; Ekel, Hass und Wut waren meine Gefährten. Jetzt werde ich geheilt und rein denselben Weg gehen – mir zur Seite ein Engel als Trösterin.«
Ich lachte bei diesen seinen Worten. »Ich bin kein Engel«, versicherte ich, »und ich werde auch keiner werden, bevor ich nicht tot und im Paradies bin. Ich werde nur ich selbst sein. Mr. Rochester, Sie dürfen etwas Himmlisches von mir weder erwarten noch fordern – denn diese Forderung würde ich nicht erfüllen können, ebenso wenig, wie Sie eine solche von meiner Seite erfüllen könnten. Aber ich erwarte auch nichts Derartiges von Ihnen.«
»Was erwartest du denn von mir?«
»Für eine kleine Weile werden Sie vielleicht bleiben, wie Sie jetzt sind – aber nur für eine sehr kurze Weile. Und dann werden Sie kühler werden und launenhaft; schließlich aber werden Sie streng sein, und ich werde viel zu tun haben,
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