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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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jenen selbstsüchtigen Gedanken vergeben und mir deine Verzeihung durch einen versöhnenden Kuss beweisen?«
    »Nein, wenn möglich, lieber nicht.«
    Hier hörte ich, wie er mich »ein starrköpfiges, kleines Ding« nannte, und dann vernahm ich noch, wie er in den Bart brummte: »Jedes andere Weib wäre dahingeschmolzen, wenn sie solche Verse zu ihrem Ruhme hätte anhören dürfen.«
    Ich versicherte ihm, dass ich von Natur aus sehr hartherzig sei, wie ein Feuerstein ungefähr, und dass er das noch oft zu spüren bekommen werde. Und dass ich überdies entschlossen sei, ihm etliche raue Punkte in meinem Charakter zu zeigen, bevor die nächsten vier Wochen abgelaufen wären. Denn er solle wissen, welche Art von Handel er zu machen im Begriff sei, während es noch nicht zu spät ist, ihn rückgängig zu machen.
    »Willst du jetzt still sein oder vernünftig mit mir reden?«
    »Ja, ich will still sein, wenn Sie es wünschen. Aber was das ›vernünftig reden‹ anbetrifft, so schmeichle ich mir, dies auch jetzt zu tun.«
    Er war verdrossen, brummte vor sich hin und knirschte mit den Zähnen. ›Sehr gut‹, dachte ich bei mir. ›Du magst toben oder brummen, wie du willst. Aber ich bin fest überzeugt, dass dies die beste Art und Weise ist, mit dir fertig zu werden. Ich liebe dich mehr, als Worte sagen können, aber ich will nicht in Gefühlsschwärmerei versinken. Und mit meinen Nadelstichen werde ich auch dich von diesem Abgrund zurückhalten – mehr noch, durch diesen hilfreichen Stachel halte ich jene Entfernung zwischen dir und mir aufrecht, welche mir am meisten geeignet scheint, zu unserm Glück zu führen.‹
    Ich brachte ihn immer mehr auf, und nachdem er sich dann endlich grollend an das entfernteste Ende des Zimmers zurückgezogen hatte, erhob ich mich und sagte in meiner gewöhnlichen, respektvollen Weise: »Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Sir.« Dann schlüpfte ich durch eine Seitentür zum Zimmer hinaus und war fort.
    So, wie ich begonnen hatte, fuhr ich während der ganzenPrüfungszeit fort, und es war ein sehr erfolgreiches System. Zwar machte ich ihn auf diese Weise ziemlich sauer und mürrisch, aber im Großen und Ganzen merkte ich doch, dass er sich außerordentlich gut dabei unterhielt, da lammfromme Unterwürfigkeit und turteltaubenähnliche Empfindsamkeit zwar seinen Despotismus genährt, seinem Verstand und seinem Geschmack aber deutlich weniger zugesagt haben würden.
    In Gegenwart anderer war ich wie früher ehrerbietig und ruhig, denn jedes andere Betragen wäre unpassend gewesen. Es war nur bei unseren abendlichen Konferenzen und
tête-à-têtes
, dass ich ihn so quälte und mit ihm stritt. Er aber fuhr fort, mich stets mit dem siebten Glockenschlage zu sich bitten zu lassen, obgleich er jetzt, wenn ich vor ihm erschien, niemals mehr so honigsüße Worte hatte wie »Liebling« und »Engel«. Die besten Worte, welche er jetzt für mich in Gebrauch nahm, waren »provokante Puppe«, »maliziöse Elfe«, »Kobold« oder »Wechselbalg«. Anstatt der Liebkosungen bekam ich jetzt Grimassen; anstatt mir die Hand zu drücken, kniff er mich jetzt in den Arm; anstatt eines Kusses auf die Wange zupfte er mich am Ohr. Aber es war alles richtig so. Gegenwärtig zog ich diese grimmigen Gunstbezeigungen jeder Zärtlichkeit vor. Ich sah, dass Mrs. Fairfax mein Betragen billigte. Ihre Angst und Besorgnis um mich schwand dahin, und ich war der festen Überzeugung, richtig zu handeln. Inzwischen versicherte Mr. Rochester, dass ich ihn durch meine Behandlung in Haut und Knochen verwandle, und er drohte mir furchtbare Rache an, die er in nicht allzu ferner Zeit an mir üben würde. Ich lachte still über seine Drohungen.
    ›Jetzt vermag ich dich durch vernünftige Behandlung in Schach zu halten‹, dachte ich bei mir, ›und ich zweifle gar nicht, dass es mir auch in Zukunft gelingen wird. Wenn ein Mittel seine Macht und Wirkung verliert, muss man schnell auf ein anderes bedacht sein.‹
    Und doch war meine Aufgabe keine ganz leichte; oft hätte ich ihm lieber etwas Gutes getan und ihn erfreut, anstatt ihn zu quälen. Mein künftiger Gatte wurde bereits meine ganze Welt, ja mehr als die Welt: Er wurde meine Hoffnung auf die ewige Seligkeit. Er stand zwischen mir und jedem religiösen Gedanken, so wie eine Sonnenfinsternis zwischen die helle Sonne und den Menschen kommt. In jenen Tagen betete ich Gott nur in seinem Geschöpf an; aus diesem hatte ich ein Götzenbild gemacht.

Fünfundzwanzigstes Kapitel
     
    Der

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