Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
Vom Netzwerk:
im
tête-à-tête
mit ihm zuzubringen. Ich erinnerte mich seiner schönen Stimme, und ich wusste, dass er wie alle guten Sänger gern sang. Ich selbst war keine Sängerin und nach seinem strengen Urteil noch nicht einmal musikalisch, aber ich liebte es zuzuhören, wenn eine Darbietung gut war. Kaum war also die Dämmerung, die Stunde der Romantik hereingebrochen und hatte ihr blaues, sternengeschmücktes Banner vor unseren Fenstern entfaltet, als ich mich erhob, das Klavier öffnete und ihn anflehte, mir ein Lied vorzutragen. Er sagte, ich sei eine launenhafte Hexe, und dass er mir lieber ein anderes Mal etwas vorsingen wolle, aber ich versicherte ihm, dass es gerade jetzt der Zeitpunkt wäre.
    Ob seine Stimme mir denn eigentlich gefiele?, fragte er.
    »Ganz außerordentlich.«
    Ich war eigentlich nicht willens, seiner großen Eitelkeit zu schmeicheln, aber dieses eine Mal ward ich meinen Grundsätzen aus Nützlichkeitsrücksichten untreu, und ich begann, ihn anzuspornen und zu bitten.
    »Dann musst du aber die Begleitung übernehmen, Jane.«
    »Meinetwegen, Sir, ich werde es versuchen.«
    Ich versuchte es also, wurde aber durch ihn sogleich wieder vom Hocker gefegt und »kleine Stümperin« genannt. Nachdem ich derart unfeierlich beiseite geschoben war – was eigentlich auch genau meinen Wünschen entsprach –, nahm er nun meinen Platz ein und begann, sich selbst zu begleiten, denn er konnte ebenso gut spielen wie singen. Ich eilte in die Fenstervertiefung, und während ich dort saß und hinaus auf die stillen Bäume und den dunklen Rasen blickte lauschte ich auf sein mit sanfter Stimme gesungenes Lied. Die Worte lauteten:
    »Die treuste Lieb’, die je ein Herz
    Mit Allgewalt bewegt,
    Das höchste Leid, den größten Schmerz
    Hab ich um sie gehegt.
     
    Mein Glück, ihr Kommen war’s allein,
    Ihr Gehen meine Qual,
    Und der Gedanke herbe Pein,
    Sie bliebe fort einmal.
     
    Es war ein Traum voll Seligkeit,
    Von ihr geliebt zu sein.
    Du schöner Traum, wie weit, wie weit
    Lagst du im Dämmerschein.
     
    Denn dunkel war der weite Raum,
    Der uns’re Leben trennt,
    Und voll Gefahr und Not, wie kaum
    Das Schiff im Sturm sie kennt,
     
    Unheimlich wie ein Räuberpfad
    Durch unwegsames Land,
    Da Leid, Macht und Gesetze hart
    Sich gegen uns gewandt.
     
    Doch ich, ich trotzte der Gefahr,
    Ich stürmte dran vorbei,
    Und nahm, was drohend, warnend war,
    Als ob’s für mich nichts sei.
     
    Denn hin durch Dunkelheit und Nacht,
    Durch Wolken schwer und wild,
    Strahlt mir in glänzend heller Pracht
    Ihr liebes, süßes Bild.
     
    Noch überstrahlt die Freude licht
    Das trübe Firmament.
    Schon dunkler wird’s, doch sorg’ ich nicht
    Ob Unheil mich berennt.
     
    Was kümmert mich nun Hass und Wut,
    Was mein vergang’nes Leid!
    Was kümmert mich der Rache Glut,
    Sie komm’ – ich bin bereit!
     
    Mag sich auch wenden mein Geschick
    Durch Hass mir droh’n Gefahr,
    Mag rohe Macht mit zorn’gem Blick
    Mir Feind sein immerdar –
     
    So sei’s denn! Sie gab ihre Hand
    Mir still vertrauensvoll,
    Und flüstert, dass ein heil’ges Band
    Uns bald vereinen soll.
     
    Bis in den Tod, schwört’ mir ihr Kuss,
    Sie sich zu eigen gibt.
    Vor Seligkeit ich jubeln muss:
    Ich lieb’ und werd’ geliebt!«
     
    Er erhob sich und kam zu mir. Ich sah sein Gesicht entflammt, sein Falkenauge blitzte und zärtliche Leidenschaft spiegelte sich in seinen Zügen. Einen Augenblick sank mir der Mut – dann fasste ich mich. Ich wollte keine Liebesszene, keine kühne Demonstration – und beides drohte mir in diesem Moment. Eine Verteidigung musste vorbereitet werden, also wetzte ich meine Zunge. Als er neben mir stand, fragte ich streng:
    »Nun, wen werden Sie denn jetzt heiraten?«
    »Das ist eine seltsame Frage von den Lippen meines Lieblings, Jane!«
    »Meinen Sie? Ich halte sie für sehr natürlich und vor allen Dingen für sehr notwendig. Sie sangen davon, dass Ihre zukünftige Gattin mit Ihnen sterben solle? Was meinen Sie mit solch einer heidnischen Idee?
Ich
habe durchaus nicht die Absicht, mit Ihnen zu sterben – darauf können Sie sich verlassen.«
    »Oh, alles was ich ersehne, alles was ich erflehe, ist, dass es uns vergönnt sein möge, miteinander zu leben! Der Tod ist nicht für ein Wesen wie dich.«
    »Aber natürlich ist er das! Ich habe ebenso gut das Recht zu sterben, wenn meine Zeit kommt, wie Sie. Aber ich will die Zeit abwarten und mich nicht wie eine indische Witwe mit meinem Gatten verbrennen lassen.«
    »Willst du mir

Weitere Kostenlose Bücher