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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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hoffen, dass es etwa Ernstes ist! Ich sage dir indessen voraus, dass du bei mir auf Ungläubigkeit stoßen wirst. Also fahre fort, mein kleiner Liebling!«
    Die Unruhe in seiner Miene, die etwas furchtsame Ungeduld seines Wesens überraschte mich, ich fuhr jedoch fort.
    »Ich träumte noch einen andern Traum, Sir. Thornfield Hall schien mir eine traurige Ruine, der Zufluchtsort von Eulen und Fledermäusen. Mir war, als sei von der stattlichen Front nichts übrig als eine hohle Mauer, sehr hoch und sehr zerbrechlich aussehend. An einem mondklaren Abend ging ich in dem grasbewachsenen Raume hinter jener Mauer umher. Hier fiel ich über einen Marmorkamin, dort stolperte ich über ein herabgefallenes Fragment des Haussimses. Ich trug noch immer das kleine, in einen Schal gehüllte, unbekannte Kind; ich durfte es nirgends hinlegen, wie müde meine Arme auch waren, wie sehr das Gewicht dieses winzigen Geschöpfes mich auch am Weiterkommen hinderte, ich musste es tragen. In der Ferne hörte ich den Hufschlag eines Pferdes auf der Landstraße verklingen. Ich war fest überzeugt, dass Sie es seien, und ich wusste, dass Sie auf viele, viele Jahre fortgingen, in ferne Lande. Ich erklomm die schwache Mauer in wahnsinniger, gefährlicher Hast, nur hoffend, dass ich von dort oben noch einen Blick von Ihnen erhaschen würde. Die Steine rollten unter meinen Füßenfort, die Efeuranken, an denen ich mich festhielt, gaben nach, das Kind klammerte sich voll Angst an meinen Hals und erwürgte mich fast. Endlich langte ich auf der Höhe der Mauer an. Ich erblickte Sie nur noch als winzigen Punkt auf einem weißen Weg, der mit jedem Augenblick enger wurde. Der Wind wehte so heftig, dass ich nicht stehen konnte. Ich setzte mich auf der schmalen Kante nieder und suchte das weinende Kind in meinen Armen zu beruhigen. Jetzt bogen Sie um eine Ecke der Landstraße, ich beugte mich vor, um einen letzten Blick zu erhaschen, die Mauer bröckelte, ich verlor das Gleichgewicht, das Kind entglitt meinen Armen, ich fiel und erwachte.«
    »Nun ist es hoffentlich alles, Jane.«
    »Dies war die Vorrede, Sir. Die eigentliche Geschichte kommt noch. Als ich erwachte, blendete ein Licht meine Augen. Im ersten Moment dachte ich: ›Ah, es ist bereits Tag!‹ Aber ich irrte mich. Es war wirklich nur der Schein einer Kerze. Ich vermutete, dass Sophie hereingekommen wäre. Auf meinem Ankleidetisch stand ein Licht, und die Tür des Kämmerchens, in welches ich mein Hochzeitskleid und meinen Schleier vor dem Schlafengehen gehängt und welches ich dann fest verschlossen hatte, stand offen. Ein Geräusch kam von dort. Ich fragte: Sophie, was tun Sie dort? Niemand antwortete, aber eine Gestalt trat aus dem Kabinett, sie ergriff das Licht, hielt es empor und betrachtete die Kleider, welche an den Kleiderriegeln hingen. ›Sophie! Sophie!‹, rief ich wiederum, und noch immer gab die Gestalt keinen Laut von sich. Ich hatte mich im Bett erhoben und neigte mich nach vorn; zuerst bemächtigte Erstaunen sich meiner, dann Bestürzung, und schließlich erstarrte das Blut mir fast in den Adern. – Mr. Rochester, es war nicht Sophie, es war nicht Leah, nicht Mrs. Fairfax – nein, sie waren es nicht, nein, dessen war ich gewiss und bin es noch, es war nicht einmal jene seltsame Person, die Grace Poole.«
    »Aber eine von ihnen muss es doch gewesen sein«, unterbrach mich mein Gebieter.
    »Nein, Sir, das kann ich Ihnen hoch und heilig versichern. Solange ich in Thornfield Hall bin, haben meine Augen die Gestalt, welche vor mir stand, noch nicht gesehen. Die Größe, das Gesicht, die Figur waren mir unbekannt.«
    »Beschreibe sie, Jane!«
    »Es schien mir eine Frau zu sein, deren langes, dickes schwarzes Haar ihr über den Rücken herabfiel. Ich weiß nicht mehr, was für ein Gewand sie trug. Es war weiß und eng, ob es aber ein Kleid, ein Betttuch oder ein Leichentuch war, in welches sie sich gehüllt hatte, das vermag ich nicht zu sagen.«
    »Hast du ihr Gesicht gesehen?«
    »Anfangs nicht. Aber dann nahm sie plötzlich meinen Schleier von seinem Platz, hielt ihn ausgebreitet empor, blickte ihn lange an, warf ihn über ihren eigenen Kopf und betrachtete sich dann im Spiegel. In diesem Augenblick sah ich das Spiegelbild ihres Gesichts und ihrer Figur ganz deutlich in dem dunklen Glas.«
    »Und wie sah sie aus?«
    »Furchtbar und gespensterhaft erschien sie mir, Sir! Oh, ich habe niemals ein ähnliches Gesicht gesehen! Es war ganz wild und verfärbt; ich wollte, ich könnte

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