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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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den »Stolz seines Lebens«, sondern auch das »Gelüst seiner Augen« – und dann zog er die Glocke. Zum Frühstücken blieben nur zehn Minuten Zeit.
    Einer seiner erst kürzlich gemieteten Diener trat ein.
    »Bringt John den Wagen in Ordnung?«
    »Ja, Sir.«
    »Ist alles Gepäck heruntergebracht?«
    »Die Leute sind dabei, es herunterzubringen.«
    »Gehen Sie jetzt in die Kirche und sehen Sie nach, ob unser Geistlicher Mr. Wood und der Verwaltungsbeamte bereits dort sind. Dann kommen Sie eilends zurück, um mir den Bescheid zu bringen.«
    Die Kirche lag – wie der Leser wohl weiß – gleich hinter dem Parktor. Der Diener kehrte also rasch zurück.
    »Mr. Wood ist bereits in der Sakristei, Sir, und zieht gerade sein Chorhemd an.«
    »Und der Wagen?«
    »Die Pferde werden angeschirrt.«
    »Wir brauchen ihn nicht für den Weg in die Kirche, aber der Wagen muss vor der Tür stehen, wenn wir zurückkommen. Alles Gepäck muss aufgeladen und festgeschnallt sein, der Kutscher auf dem Bock sitzen.«
    »Sehr wohl, Sir.«
    »Jane, bist du bereit?«
    Ich erhob mich. Wir hatten keine Brautführer, keine Brautjungfern und keine Angehörigen, die uns begleiteten oder uns erwarteten. Niemand, niemand außer Mr. Rochester und mir.
    Mrs. Fairfax stand in der Halle, als wir diese durchschritten. Ich hätte so gern mit ihr gesprochen, aber er hielt meine Hand mit eisernem Griff fest. Er zog mich mit sich und schritt so schnell vorwärts, dass ich kaum folgen konnte. Und als ich Mr. Rochester ins Gesicht blickte, da empfand ich deutlich, dass er mir um keinen Preis der Welt und unter keiner Bedingung auch nur eine Minute des Aufschubs gewähren würde. Ich möchte wissen, ob je ein Bräutigam seit Anbeginn der Welt so ausgesehen hat wie er – so energisch, so grimmig entschlossen zu handeln. Oder ob jemals die Augen eines Mannes auf seinem Wege zur Trauung unter hartnäckig gerunzelten Brauen so gefunkelt und geblitzt haben!
    Ich weiß nicht, ob es ein schöner, klarer oder ein stürmischregnerischer Tag war. Als ich den großen Fahrweg hinunterschritt, blickte ich weder zum Himmel empor noch zur Erde hinab; meine Augen weilten – wie mein Herz – allein bei Mr. Rochester. Ich wollte auch gerne jenes unsichtbare Etwas sehen, auf das er während unseres Wegesseinen wilden Blick zu heften schien. Ich wollte jene Gedanken kennen und nachempfinden, mit denen er rang und kämpfte.
    An der Kirchhofspforte hielt er inne; jetzt erst entdeckte er, dass ich vollständig außer Atem war. »Bin ich grausam in meiner Liebe?«, fragte er. »Warten wir einen Augenblick. Stütze dich auf mich, Jane.«
    Und jetzt sehe ich wieder das Bild jenes grauen, alten Gotteshauses vor mir, wie es still und mächtig emporragt in den rosigen Morgenhimmel. Ein Raubvogel umkreiste den Kirchturm. Ich hege auch noch eine Erinnerung an die grünen Grabhügel, und ich habe ebenso wenig jene beiden fremden Gestalten vergessen, welche zwischen den niedrigen Gräbern umhergingen und die Inschriften lasen, welche auf den wenigen moosbewachsenen Grabsteinen zu entziffern waren. Sie fielen mir auf, weil sie augenblicklich hinter die Kirche traten, als sie uns bemerkten, und ich zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass sie durch die Tür des Seitenflügels in das Gotteshaus eintreten würden, um der Trauungszeremonie beizuwohnen. Von Mr. Rochester wurden sie nicht bemerkt; er blickte ernst in mein Gesicht, aus dem für den Augenblick alles Blut gewichen war, denn ich fühlte, wie ein kalter Angstschweiß meine Stirn bedeckte und wie meine Wangen und meine Lippen eisig kalt wurden. Als ich mich erholt hatte, was sehr bald geschah, ging er langsam und fürsorglich den Pfad zum Kirchenportal mit mir hinauf.
    Wir traten in die stille, bescheidene Kapelle. Der Priester wartete in seinem weißen Gewand vor dem niedrigen Altar, der Beamte stand neben ihm. Tiefe, heilige Ruhe überall. In einem entfernten Winkel bewegten sich zwei Schatten. Meine Vermutung war also richtig gewesen: Die Fremden waren vor uns in die Kirche geschlüpft, jetzt standen sie mit dem Rücken zu uns vor der Gruft der Rochesters. Sie blickten durch die Gitterstäbe auf den alten, von der Zeitgeschwärzten Marmorstein, wo ein kniender Engel die sterblichen Überreste des Damer de Rochester hütete, welcher zur Zeit der Bürgerkriege auf Marston Moor den Tod gefunden hatte. Neben ihm ruhte Elizabeth, seine Gemahlin.
    Wir hatten uns am Kommunionsgeländer aufgestellt. Als ich einen vorsichtigen Schritt

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