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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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hinter mir hörte, blickte ich über meine Schulter: Einer der beiden Fremden – augenscheinlich ein Gentleman – näherte sich dem Altarplatz. Der Gottesdienst begann. Der Sinn der Ehe wurde uns erläutert, dann trat der Geistliche einen Schritt vor, beugte sich leicht zu Mr. Rochester hinab und fuhr fort:
    »Und so bitte und verlange ich denn von euch beiden, da ihr am furchtbaren Tage des Jüngsten Gerichts, wenn das Geheimnis aller Herzen enthüllt sein wird, dafür werdet Rechenschaft ablegen müssen, dass, wenn einem von euch ein Hindernis bekannt ist, weshalb ihr nicht gesetzmäßig in die Ehe treten könnet, ihr es jetzt bekennet. Denn das sollt ihr wissen, dass so viele da beieinanderleben anders als durch Gottes Wort verbunden, so viele sind nicht durch Gott verbunden und ihre Ehe bedeutet nichts nach seinem Gesetz.«
    Hier hielt er inne, wie es der Brauch ist. Wird die Pause nach dieser Frage jemals durch eine Antwort unterbrochen? Vielleicht nicht ein einziges Mal in einem ganzen Jahrhundert. Und der Geistliche, der die Blicke nicht von seinem Buch erhoben und den Atem nur für einen Augenblick angehalten hatte, fuhr jetzt fort. Seine Hand war schon gegen Mr. Rochester ausgestreckt und er öffnete die Lippen, um zu fragen: ›Willst du dieses Mädchen hier zu deinem Weibe nehmen?‹, als eine nahe Stimme deutlich sagte:
    »Die Trauung kann nicht vollzogen werden. Ich erkläre hiermit, dass ein Hindernis existiert.«
    Der Prediger blickte auf und sah sprachlos den Sprecher an. Ebenso der Beamte. Mr. Rochester machte eine leiseBewegung, als spüre er ein Erdbeben unter seinen Füßen. Dann fasste er sich wieder, und indem er weder das Haupt noch den Blick wandte, sagte er mit gebieterischer Stimme: »Fahren Sie fort!«
    Als er diese Worte gesprochen hatte, herrschte tiefe Stille. Leise, aber fest waren sie erklungen. Dann sagte Mr. Wood:
    »Ich kann nicht fortfahren, ohne Nachforschungen über die Behauptung anzustellen, welche hier soeben gemacht worden ist. Ich muss untersuchen, ob es Lüge oder Wahrheit gewesen.«
    »Die Zeremonie der Trauung hat hier ein Ende«, entgegnete die Stimme hinter uns. »Ich bin in der Lage zu beweisen, dass das, was ich behaupte, die Wahrheit ist. Es existiert ein unüberwindliches Hindernis für diese Ehe.«
    Mr. Rochester hörte wohl, aber er achtete auf nichts; steif und starr stand er da. Er machte keine Bewegung, nur meine Hand fasste er noch fester. Welch ein starker, mächtiger, heißer Griff das war! Und wie marmorgleich war seine blasse, festgewölbte, starke Stirn in diesem Augenblick! Wie seine Augen leuchteten, wachsam und ruhig, und doch voll von innerem Feuer!
    Mr. Wood schien ratlos. »Und welcher Art ist dieses von Ihnen erwähnte Hindernis?«, fragte er endlich. »Vielleicht ließe es sich hinwegräumen – durch eine Erklärung überwinden?«
    »Wohl kaum«, lautete die Antwort. »Ich habe es unüberwindlich genannt, und ich spreche mit Überlegung.«
    Der Sprecher trat vor und lehnte sich über das Gitter des Altarraumes. Dann fuhr er fort, deutlich, ruhig, ohne innezuhalten, aber nicht laut.
    »Das Hindernis besteht schlicht und einfach in einer bereits früher geschlossenen Ehe. Mr. Rochester hat eine Gattin, welche noch am Leben ist.«
    Diese leise und ruhig gesprochenen Worte ließen meine Nerven erbeben, wie ein Donnerschlag dies nicht vermochthätte – mein Blut empfand ihre listige Gewalt, wie es weder Frost noch Hitze je empfunden hatte. Aber ich war gefasst, grausam gefasst, und die Gefahr, ohnmächtig zu werden, drohte mir nicht. Ich blickte Mr. Rochester an – und ich zwang ihn, mich anzusehen. Sein ganzes Gesicht erschien mir in diesem Augenblick wie ein farbloser Felsen. Sein Auge war Funke und Feuerstein zugleich. Er leugnete nichts. Er sah nur aus, als sei er bereit, allen Dingen der Erde und des Himmels Trotz zu bieten. Er sprach nicht, er lächelte nicht. Er schien in mir kein lebendes Wesen mehr zu erkennen, als er meine Taille mit seinem Arm umschlang und mich so an seiner Seite festhielt.
    »Wer seid Ihr?«, fragte er den Störer.
    »Mein Name ist Briggs. Ich bin Advokat in ***street, London.«
    »Und Sie wollen mir eine Gattin unterschieben?«
    »Nein Sir, ich wollte Sie nur an die Existenz Ihrer Gemahlin erinnern! Das Gesetz erkennt Ihre erste Ehe an, wenn auch Sie selbst nicht gesonnen scheinen, dies zu tun.«
    »Beglücken Sie mich doch mit einer Beschreibung dieser Dame – mit ihrem Namen, ihrem Herkommen, ihren Verwandten,

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