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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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stand über das Feuer gebeugt und war damit beschäftigt, irgendetwas in einer Kasserole zu kochen. Am äußersten Ende des Zimmers lief im tiefen Schatten unaufhörlich ein Wesen hin und her. Beim ersten Anblick vermochte man nicht zu entscheiden, ob es ein Tier oder ein menschliches Wesen sei, denn anscheinend kroch es auf allen vieren. Es schnappte und brüllte wie ein wildes Tier, aber es war mit Kleidern behängt. Eine Menge von dunklem, ergrauendem Haar verbarg Kopf und Gesicht wie eine wilde Mähne.
    »Guten Morgen, Mrs. Poole!«, sagte Mr. Rochester. »Wie geht es Ihnen? Und wie steht es heute mit Ihrer Schutzbefohlenen?«
    »Ich danke Ihnen, Sir«, entgegnete Grace, »es geht uns beiden ganz erträglich.« Dann setzte sie das kochende Gericht behutsam auf den Kaminsims. »Ziemlich bissig, aber nicht tobsüchtig.«
    Ein wütender Schrei schien diesen günstigen Bericht Lügen strafen zu wollen. Die bekleidete Hyäne erhob sich und stand groß und gewaltig auf ihren Hinterfüßen.
    »Ach, Sir, Sie hat Sie entdeckt!«, rief Grace. »Es wäre besser, wenn Sie fortgingen!«
    »Nur ein paar Minuten, Grace; ein paar Minuten müssen Sie mir gestatten.«
    »Aber dann seien Sie vorsichtig, Sir! Um Gottes willen – seien Sie sehr vorsichtig!«
    Die Wahnsinnige stieß ein Gebell aus. Sie strich sich die Mähne aus dem Gesicht und blickte ihre Besucher wild an. Ich erkannte das blaurote Gesicht mit den geschwollenen Zügen gar wohl wieder. Mrs. Poole näherte sich ihr.
    »Gehen Sie mir aus dem Weg«, sagte Mr. Rochester, indem er sie beiseite stieß. »Ich hoffe doch, dass sie in diesem Augenblick kein Messer hat. Überdies bin ich auf der Hut.«
    »Man kann niemals wissen, was sie hat, Sir. Sie ist so listig, so verschlagen. Es ist unmöglich, ihre Schlauheit, ihre Hinterlist zu ergründen.«
    »Wollen wir sie nicht lieber verlassen?«, flüsterte Mason.
    »Geh zum Teufel!«, lautete die Aufforderung seines Schwagers.
    »Achtung!«, schrie Grace. Die drei Herren wichen gleichzeitig zurück. Mr. Rochester warf mich hinter sich, die Wahnsinnige stürzte sich auf ihn, packte ihn wütend an der Kehle und fletschte die Zähne gegen sein Gesicht. Sie rangen miteinander. Sie war ein starkes Weib, an Länge kam sie ihrem Gatten fast gleich, außerdem war sie sehr stattlich. In diesem Kampf bewies sie eine fast männliche Kraft; mehr als einmal war sie nahe daran, ihn trotz seiner athletischen Geschmeidigkeit zu erdrosseln. Mit einem wohlgezielten Schlag hätte Mr. Rochester sie zwar zu Boden strecken können, aber er wollte sie nicht schlagen, er wollte nur kämpfen und ringen. Endlich war er imstande, ihre Arme zu packen. Grace Poole gab ihm einen Strick, und er band sie ihr auf dem Rücken zusammen. Mit einem zweiten Strick, der schnell herbeigeschafft wurde, band er die Rasende auf einem Stuhl fest. All dies wurde unter dem gellendsten Geschreivollzogen, und die Gefesselte machte mehr als einen krampfhaften Versuch, sich loszureißen. Jetzt wandte Mr. Rochester sich zu den Zuschauern. Er blickte sie mit einem Lächeln an, das zugleich bitter und trostlos war.
    »Das ist nun
mein Weib
!«, sagte er. »Dies die einzigen Umarmungen, die ich je zu erwarten habe – dies die Liebkosungen, welche den Trost meiner Mußestunden bilden sollen! Und
dies hier
ist das, was zu besitzen ich mich sehnte …« – hier legte er seine Hand auf meine Schulter. »Dies junge Mädchen, welches so ernst und still, so unentwegt am Abgrund der Hölle steht und das Treiben eines Dämons gefasst mit ansieht. Ich wollte etwas anderes – nach jenem scharfen Ragout. Wood und Briggs! Sehen Sie sich doch den Unterschied an! Vergleichen Sie diese klaren Augen mit jenen rollenden Feuerkugeln da drüben, dieses Gesicht mit jener grauenerregenden Maske, diese Gestalt mit jenem Klumpen – und dann verurteilen Sie mich! Du Priester des Evangeliums: Verurteile mich! Und du Mann des Gesetzes: Tu desgleichen! Aber vergesst nicht, dass ihr gerichtet werdet, wie ihr richtet! Und jetzt fort mit euch! Fort! Ich muss meinen Preis hier wieder verschließen.«
    Wir zogen uns alle zurück. Mr. Rochester verweilte noch einen Augenblick, um Grace Poole weitere Anweisungen zu geben. Als wir die Treppe hinuntergingen, wandte sich der Rechtsanwalt zu mir.
    »Sie, Madam«, sagte er, »trifft wahrlich nicht der leiseste Tadel. Ihr Onkel wird glücklich sein, das zu hören – falls er noch lebt, wenn Mr. Mason nach Madeira zurückgekehrt ist.«
    »Mein Onkel? Was ist mit ihm,

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