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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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meine Lage recht zu verstehen und mich zu nehmen trotz des Fluches, der auf mir lastete.«
    »Und nun, Sir?«
    »Wenn du neugierig wirst, Jane, muss ich stets lächeln. Du öffnest die Augen wie ein aufgescheuchter Vogel und machst dann und wann eine unruhige Bewegung. Es ist, als kämen die Antworten und Aufklärungen dir nicht schnell genug und als wolltest du dem Sprecher bis ins innerste Herz sehen. Aber ehe ich fortfahre, musst du mir sagen, was du mit deinem ›Und nun, Sir?‹ meinst. Es ist eine kurze Redensart, die dir eigen ist, und die mich gar manches Mal zu endlosem Reden hingerissen hat; und ich weiß eigentlich nicht, weshalb.«
    »Ich meine: Und was geschah dann? Was taten Sie weiter? Welche Folgen hatte diese Tat?«
    »Ganz recht. Und was möchtest du jetzt wissen?«
    »Ob Sie eine fanden, die Sie liebten. Ob Sie sie zur Frau begehrten und was sie sagte.«
    »Ich kann dir sagen, ob ich eine gefunden, die ich liebte, und ob ich von ihr erbat, mich zu heiraten – doch was sie antwortete, das muss erst noch im Buch des Schicksalsverzeichnet werden! Zehn lange Jahre irrte ich umher, bald lebte ich in der einen Hauptstadt, bald in der anderen – zuweilen in St. Petersburg, häufiger in Paris, gelegentlich auch in Rom, Neapel und Florenz. Da ich Geld im Überfluss hatte und obendrein noch durch einen alten Namen ausgewiesen war, konnte ich mir meine Gesellschaft wählen. Kein Kreis blieb mir verschlossen, ich suchte mein Frauenideal unter englischen Ladys, französischen Komtessen, italienischen Signoras und deutschen Gräfinnen. Aber ich fand es nicht. Zuweilen, während eines flüchtigen Augenblicks, glaubte ich, einen Blick gesehen, einen Ton gehört, eine Gestalt erblickt zu haben, welche mir die Verwirklichung meines Traumes verhieß – aber schnell ward ich stets wieder enttäuscht. Du darfst jedoch nicht glauben, dass ich Vollkommenheit suchte, weder an Leib noch an Seele. Ich sehnte mich nur nach etwas, das zu mir passte – nach dem entschiedenen Gegenteil der Kreolin. Und unter all diesen Frauen fand ich nicht eine Einzige, die ich – selbst wenn ich vollständig frei gewesen wäre – zum Weibe begehrt haben würde. War ich doch gewarnt durch die Gefahren, die Schrecken und den Fluch einer unpassenden Verbindung! Die Enttäuschung machte mich wild und ruhelos. Ich versuchte es mit Zerstreuungen – jedoch niemals mit einem lasterhaften Leben, welches ich stets hasste und heute noch hasse. Das Laster war ja das Kennzeichen meiner westindischen Messalina gewesen, und ein eingewurzelter Widerwille gegen sie und gegen jegliche Ausschweifung legte mir stets Fesseln an. Jedes Vergnügen, das an Schwelgerei grenzte, schien mich ihr und ihren Lastern näher zu bringen. Deshalb vermied ich es ängstlich.
    Und doch konnte ich nicht allein leben. So versuchte ich es denn mit der Gesellschaft von Mätressen. Die Erste, welche ich nahm, war Céline Varens – auch ein solcher Schritt, der einen Mann mit Selbstverachtung erfüllt, wenn er an ihn zurückdenkt. Du weißt ja bereits, was sie war und wiemeine Liaison mit ihr endete. Sie hatte zwei Nachfolgerinnen, eine Italienerin, Giacinta, und eine Deutsche, Clara. Beide waren außerordentliche Schönheiten, aber was war ihre Schönheit noch für mich nach Verlauf von nur wenigen Wochen? Giacinta war leichtsinnig und heftig – nach drei Monaten war ich ihrer müde geworden. Clara war ehrlich und ruhig, aber schwerfällig, seelenlos und kalt – durchaus nicht nach meinem Geschmack. Ich war nur zu froh, ihr eine hinlängliche Summe geben zu können, mit welcher sie sich ein einträgliches Geschäft gründete. So wurde ich sie auf anständige Weise los. Aber Jane, ich sehe es deinem Gesicht an, dass du dir jetzt gerade keine sehr günstige Meinung von mir bildest. Du hältst mich für einen gefühllosen, leichtsinnigen Schurken, nicht wahr?«
    »In der Tat, Sir, ich denke nicht mehr so groß von Ihnen, wie ich es einmal getan habe. Dünkte es Sie denn durchaus nicht Unrecht, ein solches Leben zu führen – erst mit einer Mätresse, und dann mit einer zweiten? Sie sprechen davon, als wenn es die allernatürlichste Sache der Welt wäre.«
    »Das war es auch für mich. Aber ich verabscheute dieses Leben. Es war eine niedrige Art des Daseins, es wäre mir nimmermehr möglich, dazu zurückzukehren. Eine Mätresse nehmen ist ungefähr dasselbe wie einen Sklaven kaufen; beide sind von Natur aus untergeordnete Wesen. Und auf familiärem Fuße mit untergeordneten

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