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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Stimme von Mrs. Fairfax, welche in der Halle sprach, rüttelte dich auf. Und wie seltsam du über dich selbst lächeltest, Janet! Es lagviel Verstand in deinem Lächeln, es war sehr fein und schien über deine eigene Geistesabwesenheit zu spotten. Es schien zu sagen: ›Meine prächtigen Visionen sind wohl wunderbar, aber ich darf nicht vergessen, dass sie absolut unwirklich sind. In meinem Kopf trage ich einen rosigen Himmel und ein grünendes, blühendes Eden, aber ich weiß sehr wohl, dass hier draußen ein rauer Pfad vor meinen Füßen liegt, den ich durchwandern muss, und dass um mich her sich schwarze Gewitterwolken zusammenballen, denen ich trotzen muss.‹ Dann liefst du hinunter und batest Mrs. Fairfax, dir eine Beschäftigung zu geben, nämlich die Haushaltsrechnungen der Woche zu ordnen oder etwas Ähnliches. Habe ich nicht recht? Ich zürnte dir damals, dass du dich meinen Blicken entzogst.
    Ungeduldig wartete ich auf den Abend, damit ich dich zu mir rufen lassen konnte. Ich vermutete in dir einen für mich neuen, ungewöhnlichen Charakter. Ich hegte den Wunsch, ihn zu ergründen und ihn näher kennenzulernen. Du tratest ins Zimmer mit einem Blick, der zugleich Bescheidenheit und Unabhängigkeit verriet. Du warst einfach gekleidet – ungefähr so wie jetzt. Ich brachte dich zum Sprechen, und es dauerte nicht lange, so fand ich, dass die seltsamsten Kontraste in dir waren. Deine Kleidung und deine Manieren waren durch die Norm eingeschränkt und beengt, deine Mienen und dein Betragen waren oft voll von Misstrauen. Du warst auf eine natürliche Art kultiviert, jedoch absolut unvertraut mit der Gesellschaft. Man fühlte es, wie sehr du fürchtetest, durch einen Missgriff oder eine Ungeschicklichkeit unvorteilhaft aufzufallen. Wenn man dich jedoch anredete, so erhobst du ein klares, unerschrockenes, mutiges Auge zu dem Gesicht des Sprechers und in jedem deiner Blicke lagen Kraft und Unterscheidungsgabe. Wenn man dir verfängliche Fragen stellte, fandest du stets klare und sachgemäße Antworten. Sehr bald schienst du dich an mich zu gewöhnen – Jane, ich glaube du fühltest, dass zwischen dirund deinem grimmigen, harten Herrn eine Übereinstimmung existierte, denn es war erstaunlich zu sehen, wie schnell ein gewisses freudiges Behagen dein Wesen ruhiger stimmte. Wie sehr ich auch brummte und murrte, du trugst weder Erstaunen, noch Furcht, Verstimmung oder Ärger über meine Unfreundlichkeit zur Schau. Du beobachtetest mich und lächeltest dann und wann mit einer einfachen aber klugen Anmut, die ich nicht zu beschreiben vermag. Ich war zugleich zufrieden und gereizt durch das, was ich sah. Mir gefiel, was ich gesehen hatte, und ich wünschte, mehr zu sehen. Und doch behandelte ich dich über eine lange Zeit kalt und suchte deine Gesellschaft nur selten. Ich war ein kluger Epikureer und wünschte, die Annehmlichkeit zu verlängern, welche diese neue und pikante Bekanntschaft mir gewährte. Außerdem quälte mich eine Zeitlang eine qualvolle Furcht, dass der rosige Hauch von der Blüte abfallen würde, wenn ich zu sorglos mit ihr umginge, dass der süße Reiz ihrer Frische sich verlieren würde. Damals wusste ich ja noch nicht, dass es keine vergängliche Blüte sei, sondern das Ebenbild einer solchen, aus einem unvergänglichen Edelstein geschnitten. Und überdies wollte ich sehen, ob du mich suchen würdest, wenn ich dich mied. Aber das tatest du nicht; du hieltest dich immer im Schulzimmer auf, so still wie dein Schreibtisch, wie deine Staffelei. Wenn ich dir zufällig begegnete, gingst du so schnell und so fremd an mir vorbei, wie es sich nur irgend mit den Gesetzen der Höflichkeit vereinbaren ließ. Dein gewöhnlicher Gesichtsausdruck in jenen Tagen, Jane, war ein gedankenvoller; nicht niedergeschlagen, denn du warst nicht wehleidig, aber auch nicht fröhlich, denn du hattest wenig Hoffnung und kein einziges wirkliches Vergnügen. Ich fragte mich verwundert, was du wohl von mir denken könnest, oder ob du überhaupt an mich dächtest – und um dies herauszufinden, fing ich wieder an, dir Beachtung zu schenken. Es lag etwas Freundliches in deinem Blick, etwas Sympathisches in deiner Art,wenn du dich unterhieltest. Ich sah, dass du ein mitteilsames Herz hattest – es war also nur das stille Schulzimmer, das ewige Einerlei deines täglichen Lebens, das dich traurig machte. Ich gestattete mir die Freude, gütig gegen dich zu sein. Güte belebte dein Empfinden gar bald. Der Ausdruck deines Angesichts

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