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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Geschöpfen leben ist erniedrigend. Ich hasse jetzt sogar die Erinnerung an die Zeit, die ich mit Céline, Giacinta und Clara verbrachte.«
    Ich empfand die Wahrheit dieser Worte, und ich zog aus ihnen die unumstößliche Gewissheit, dass, wenn ich mich selbst und alle Lehren, die jemals in meine Seele und meinen Verstand gelegt wurden, so weit vergäße, die Nachfolgerin dieser armen Geschöpfe zu werden – unter welchem Vorwand, welcher Rechtfertigung es auch sein mochte – dass er mich dann eines Tages mit denselben Empfindungen ansehen würde, welche jetzt das Andenken an sie in seinemGeiste entheiligten. Dieser Überzeugung verlieh ich jedoch nicht Ausdruck – es war genug, sie zu hegen. Ich prägte sie meinem Herzen ein, dass sie dort Wurzel fassen und mir in der Zeit der Versuchung als Stütze dienen möge.
    »Nun, Jane, weshalb sagst du nicht wieder ›Und nun, Sir‹? Ich bin noch nicht zu Ende. Du siehst so ernst aus. Ich sehe, du missbilligst meine Handlungsweise noch immer. Aber lass mich zum wichtigsten Punkt kommen: Im letzten Januar, frei gemacht von allen Mätressen, in einer harten, verbitterten Stimmung, die das Resultat eines nutzlosen, umherschweifenden, einsamen Lebens war, aufgerieben durch Täuschungen, gereizt gegen alle Menschen und besonders gegen das ganze weibliche Geschlecht – denn ich begann jetzt zu glauben, dass das Bild eines klugen, treuen, liebenden Weibes nur eine Traumgestalt sei –, riefen Geschäfte mich nach England zurück.
    An einem frostigen Winternachmittag tauchte Thornfield Hall wieder vor meinen Blicken auf. Verhasster Ort! Ich erwartete dort keinen Frieden, keine Freude. Auf einem Heckenweg in dem Heugässchen sah ich eine kleine, einsame Gestalt sitzen. Ich ritt so nachlässig an ihr vorüber wie an dem gekappten Weidenbaum auf der anderen Seite des Weges. Keine Vorahnung warnte mich vor dem, was sie mir dereinst sein würde; kein Vorgefühl sagte mir, dass die Richterin über Leben und Tod, mein guter oder böser Geist dort im einfachen Kleide auf mich warte. Ich wusste es selbst dann noch nicht, als sie bei dem Unfall mit Mesrour an mich herantrat und mir demütig und bescheiden ihre Hilfe anbot! Kindliches, zartes Geschöpf! Es war, als sei mir ein Hänfling vor die Füße gehüpft und hätte sich erboten, mich auf seinen gebrechlichen Flügeln zu tragen. Ich war unwirsch, aber das kleine Ding wollte nicht gehen. Es stand neben mir mit seltsamer Ausdauer, und in Sprache und Blick lag so etwas wie Überlegenheit. Ich musste mir helfen lassen, und zwar durch jene Hand. Und sie half mir!
    Als ich mich auf die zarte, gebrechliche Schulter gestützt hatte, kam etwas Neues über mich – ein ungekanntes Gefühl bemächtigte sich meiner, anderes Blut durchfloss meine Adern. Es war gut, dass ich erfuhr, jene Elfe müsse zu mir zurückkehren, dass sie zu meinem Haus dort unten gehörte – sonst hätte ich sie nicht wieder aus meiner Hand entwischen lassen, ich hätte es nicht ertragen, dass sie still und behende wieder hinter jener dicken Hecke verschwand. Ich hörte dich an jenem Abend nach Hause kommen, Jane, obgleich du wahrscheinlich nicht wusstest, dass ich an dich dachte oder auf dich wartete. Am folgenden Tag beobachtete ich dich – selbst ungesehen –, wie du während einer halben Stunde mit Adèle in der Galerie spieltest. Ich erinnere mich dessen noch, es war ein schneeiger Tag, und ihr konntet nicht ins Freie gehen. Ich war in meinem Zimmer, die Tür war halb geöffnet, ich konnte euch hören und sehen. Adèle nahm deine äußere Aufmerksamkeit in Anspruch, und doch bildete ich mir ein, dass deine Gedanken anderswo seien. Aber du warst sehr geduldig mit ihr, meine kleine Jane; du amüsiertest sie und unterhieltest dich lange mit ihr. Als sie dich endlich verließ, versankst du sofort in tiefe Träumereien. Du begannst, langsam in der Galerie auf- und abzuschreiten. Hier und da, wenn du an einem Fenster vorüberkamst, blicktest du hinaus auf den unablässig fallenden Schnee, horchtest auf den heulenden Wind – und dann begannst du wieder, leise hin und her zu gehen und zu träumen. Ich glaube, jene Wachträume waren nicht düster. Dann und wann leuchtete dein Auge freudig auf, und eine sanfte Erregung bemächtigte sich deiner Züge: Das war kein bitteres, galliges, hypochondrisches Brüten, deine Blicke verrieten eher das süße Grübeln der Jugend, wenn ihr Geist auf leichten Flügeln dem Fluge der Hoffnung folgt und einem idealen Himmel zustrebt. Die

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