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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Blicken zu verschlingen.Physisch fühlte ich mich in diesem Augenblick so schwach wie trockenes Stroh, das der Glut und dem Zug eines Ofens ausgesetzt ist; innerlich aber besaß meine Seele die Überzeugung ihrer unabänderlichen Sicherheit. Die Seele hat glücklicherweise einen Vermittler – oft einen unbewussten, immer jedoch einen getreuen Übersetzer: das Auge. Mein Auge erhob sich zu dem seinen, und während ich in sein wild erregtes Gesicht schaute, stieß ich unwillkürlich einen Seufzer aus. Sein Griff war schmerzhaft, und meine überanstrengten Kräfte waren fast erschöpft.
    »Niemals«, sagte er, indem er mit den Zähnen knirschte. »Noch niemals hat es ein Geschöpf gegeben, das so zart und so unbeugsam zugleich ist. In meiner Hand ist sie nur ein schwaches Rohr!« Er schüttelte mich mit dem ganzen Aufgebot seiner Kräfte. »Ich könnte sie mit Daumen und Zeigefinger zerbrechen. Aber was würde es nützen, wenn ich sie zerbräche, sie zerrisse, zermalmte? – Betrachte einer nur diese Augen! Betrachte einer das entschlossene, wilde, freie Etwas, das mir daraus entgegenblickt, das mir trotzt mit mehr als Mut – mit wildem Triumph. Was ich auch mit der Hülle tun mag, zu diesem Etwas kann ich nicht gelangen. Wildes, schönes Geschöpf! Wenn ich dies zarte Gefängnis zerreiße, zersprenge, so würde das nur jenes gefangene Etwas befreien. Das Gehäuse könnte ich besiegen, aber der Insasse würde gen Himmel fliegen, bevor ich mich noch Besitzer jener Hülle aus irdischem Ton nennen könnte. Und du bist es doch, Geist – mit deinem Willen und deiner Energie, deiner Tugend und Reinheit, den ich haben will, nicht allein deine schöne Behausung. Wenn du nur wolltest, so könntest du aus eigenem Antrieb mit sanftem, leisem Flügelschlag kommen und dich an mein Herz schmiegen. Wollte ich dich gegen deinen Willen greifen, so würdest du dich meiner Hand wieder entwinden, wie zarter Blütenduft verraucht, ehe wir seinen Wohlgeruch eingeatmet haben. O komm Jane, komm!«
    Indem er dies sagte, ließ er mich los und blickte mich nur noch an. Es war viel schwerer, diesem Blick zu widerstehen, als seiner wahnsinnigen Umarmung. Doch nur eine Wahnsinnige wäre jetzt noch unterlegen. Ich hatte seiner Wut getrotzt und sie zunichtegemacht, seinen Kummer jedoch konnte ich nicht ertragen. Deshalb näherte ich mich der Tür.
    »Gehst du, Jane?«
    »Ich gehe, Sir.«
    »Du willst mich verlassen?«
    »Ja.«
    »Du willst nicht zu mir kommen? Du willst nicht meine Trösterin, meine Erlöserin sein? Meine tiefe, innige Liebe, mein wildes Weh, meine heißen Bitten – ist alles das nichts für dich?«
    Welch eine unbeschreibliche Würde lag in seinen Tönen! Wie schwer war es, fest und entschlossen zu wiederholen: »Ich gehe!«
    »Jane!«
    »Mr. Rochester!«
    »So geh denn – ich willige ein. Aber vergiss nicht, dass du mich hier in Todesqualen zurücklässt. Geh hinauf in dein Zimmer, denk nach über alles, was ich dir gesagt habe, und dann, Jane, wirf einen Blick auf mein Leid und denk an mich!«
    Er wandte sich ab, warf sich auf das Sofa und begrub das Gesicht in den Kissen. »Oh, Jane! Meine Hoffnung, meine Liebe, mein Leben!«, rang es sich schmerzvoll von seinen Lippen. Dann kam ein tiefes, herzzerreißendes Schluchzen.
    Ich hatte die Tür schon erreicht, aber mein Leser, ich ging wieder zurück. Ging zurück, ebenso entschlossen, wie ich fortgegangen war. Ich kniete neben ihm nieder, ich hob sein Gesicht vom Kissen zu mir empor, ich küsste ihm die Tränen von den Wangen und streichelte sein wildes Haar.
    »Gott segne Sie, mein teurer Herr!«, sagte ich. »Gott halte Sie von Unrecht und Sünde zurück! Er führe Sie, ertröste Sie! Und vor allen Dingen lohne er Sie für Ihre grenzenlose Güte gegen mich!«
    »Die Liebe meiner kleinen Jane wäre mein bester Lohn gewesen«, entgegnete er, »ohne sie ist mein Herz gebrochen. Aber Jane wird mir ihre Liebe noch schenken! Sie wird edel, sie wird großmütig sein!«
    Das Blut stieg ihm zu Kopf, seine Augen sprühten Flammen, er sprang auf und stand vor mir. Er breitete die Arme aus, doch ich entzog mich seiner Umarmung und verließ augenblicklich den Raum.
    »Leb wohl!«, war der Aufschrei meines Herzens, als ich ihn verließ. Und die Verzweiflung fügte hinzu: »Leb wohl, auf ewig!«
***
     
    Ich hatte nicht geglaubt, dass diese Nacht mir Schlaf bringen würde; aber ein barmherziger Schlummer senkte sich auf meine Lider, als ich mich kaum niedergelegt hatte. Der Schlaf führte

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