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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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doch die Begierde in ihren Augen.«
    »Für den Augenblick nicht mehr, Schwester. Versuch, ob sie jetzt sprechen kann – frag sie nach ihrem Namen.«
    Ich fühlte, dass ich sprechen konnte, und ich entgegnete:
    »Mein Name ist Jane Elliot.« Besorgt darum, entdeckt und gefunden zu werden, hatte ich beschlossen, ein Alias anzunehmen.
    »Und wo wohnen Sie? Wo sind Ihre Angehörigen, Ihre Freunde?«
    Ich schwieg.
    »Können wir irgendeine Person holen lassen, die Sie kennen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Was für Auskunft können Sie uns über sich selbst geben?«
    Seltsam! Seitdem ich die Schwelle dieses Hauses überschritten hatte und mich seinen Bewohnern von Angesicht zu Angesicht gegenüberfand, fühlte ich mich nicht mehr wie eine Ausgestoßene, wie eine Landstreicherin, die von der ganzen Welt geächtet ist. Ich hatte den Mut, die Bettlerin abzulegen und meine natürliche Art und Weise, meinen eigenen Charakter wieder anzunehmen. Jetzt begann ich, mich selbst wieder zu erkennen. Und als Mr. St. John einen Bericht verlangte, welchen zu geben ich für den Augenblick aber zu schwach war, sagte ich nach einer kurzen Pause:
    »Sir, ich bin nicht fähig, Ihnen heute Abend noch Näheres mitzuteilen.«
    »Aber was erwarten Sie denn von mir, dass ich für Sie tun soll?«, fragte er.
    »Nichts«, entgegnete ich. Meine Kraft reichte nur für kurze Antworten hin. Diana nahm das Wort.
    »Wollen Sie damit sagen, dass wir Ihnen jetzt alle Hilfe geleistet haben, deren Sie bedürfen?«, fragte sie. »Und dass wir Sie nun wieder hinaus in den Regen und den durchweichten Sumpf lassen können?«
    Ich blickte sie an. Ich fand, dass sie ein bemerkenswertes Gesicht hatte, in dem sich Klugheit, Kraft und Güte vereinten. Plötzlich fasste ich Mut. Indem ich ihren mitleidigen Blick mit einem Lächeln beantwortete, sagte ich: »Ich will Ihnen vertrauen. Wenn ich ein herrenloser, verlaufener Hund wäre, so weiß ich, dass Sie mich heute Abend nicht mehr aus Ihrem Hause jagen würden. Wie es nun ist, hege ich wirklich keine Furcht. Tun Sie mit mir und für mich, was Sie wollen, aber erlassen Sie mir das Reden – mein Atem ist kurz, ich fühle eine Art Krampf, wenn ich spreche.« Alle drei beobachteten mich, und alle drei verhielten sich schweigend.
    »Hannah«, sagte Mr. St. John endlich, »lass sie dort für den Augenblick noch sitzen und richte keine Fragen an sie. Nach zehn Minuten gib ihr den Rest von der Milch und dem Brot. Mary und Diana, lasst uns ins Wohnzimmer gehen und die Sache weiter bedenken.«
    Sie zogen sich zurück. Sehr bald kehrte eine von den Damen zurück – ich konnte nicht unterscheiden, welche es war. Mit leiser Stimme erteilte sie Hannah einige Befehle. Eine Art angenehmer Bewusstlosigkeit bemächtigte sich meiner, als ich so neben dem wärmenden Feuer saß. Es dauerte nicht lange, und ich stieg mit Hilfe der Dienerin eine Treppe hinauf. Meine durchnässten Kleider wurden mir ausgezogen, und bald lag ich in einem trockenen, angenehm warmen Bett. Ich dankte Gott – ich empfand trotz meiner unbeschreiblichen Erschöpfung ein Gefühl der dankbarsten Freude – und schlief ein.

Neunundzwanzigstes Kapitel
     
    An die drei Tage und Nächte, welche hierauf folgten, habe ich nur eine sehr schwache, verworrene Erinnerung bewahrt. Ich kann mir wohl einige Empfindungen zurückrufen, welche ich in dieser Zeit hatte, aber einen festen Gedanken zu hegen oder gar eine Handlung zu vollbringen, war ich vollends zu schwach. Ich wusste, dass ich mich in einem kleinen Zimmer in einem schmalen Bett befand. An das Bett schien ich festgewachsen zu sein. Bewegungslos wie ein Stein lag ich darin, und wenn man mich daraus entfernt hätte, so wäre das gleichbedeutend mit meinem Tod gewesen. Ich nahm keine Notiz davon, wie die Zeit verging – ich wusste nichts vom Übergang des Morgens zum Mittag, des Mittags zum Abend. Ich bemerkte jedoch, wenn jemand ins Zimmer trat oder es wieder verließ; ich hätte sogar sagen können, wer es war. Ich konnte verstehen, was gesprochen wurde, wenn der Redende in meiner Nähe stand, aber ich vermochte nicht zu antworten. Es war mir ebenso unmöglich, ein Glied zu rühren, wie die Lippen zu bewegen. Hannah, die Dienerin, war meine häufigste Besucherin. Ihr Kommen störte mich: Ich hatte das Gefühl, dass sie mich wieder fort wünschte, dass sie weder mich noch meine Verhältnisse begriff und dass sie ein Vorurteil gegen mich hegte. Ein- oder zweimal täglich erschienen Diana und Mary im Zimmer. Sie

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