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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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nicht. Dein größter Vorteil besteht darin, dass morgen, am Karnevalssamstag, ein Umzug in den Straßen des Viertels stattfindet und die Leute sich verkleiden. Wenn du dich ebenfalls verkleidest, fällst du in der Menge nicht auf. «
    Â» Meine beste Verkleidung, nämlich die, die ich gerade trage, kennt der Schuft aber leider schon. «
    Â» Ich gebe dir etwas von mir. Oder besser: ein Kostüm von der armen Senhora. «
    Â» Schon wieder die Kleider einer toten alten Frau « , denke ich laut.
    Â» Wie? «
    Â» Ach, nichts. Das erzähle ich dir ein anderes Mal. Passen mir die Sachen denn? «
    Â» Ich denke schon. Es ist ein flatterndes Gewand wie von einer Prinzessin aus 1001 Nacht. Dazu gehört, und das ist das Wichtigste, ein schöner Schleier, der dein auffälliges Gesicht gut verbergen dürfte. «
    Was findet sie an meinem Gesicht auffällig? Mir erscheint es immer allzu durchschnittlich. Habe ich eine zu große Nase, einen zu breiten Mund oder sonst irgendeinen Makel? Am liebsten würde ich sie danach fragen, aber ich will nicht zu eitel wirken.
    Â» Gut « , sage ich, stehe auf und gebe zu verstehen, dass ich bereit bin.
    Â»â€º Gut ‹ trifft es wahrscheinlich nicht ganz « , unkt Aldemira.
    Â» So schlimm wird es schon nicht sein « , behaupte ich voller Optimismus, ernte jedoch nur ein schwaches Achselzucken von ihr.
    Bereits eine halbe Stunde später weiß ich, dass ich mich getäuscht habe. Es ist schlimm.
    Der Geheimausgang entpuppt sich als ein Kanaldeckel, der unter einer Kiste mit Gerümpel verborgen ist. Durch ihn gelangt man in einen uralten, stinkenden Abwasserkanal, der selbst für meine zierliche Figur zu eng erscheint.
    Â» Das kann ich nicht! « , rufe ich erschrocken aus, als ich mit Aldemira über der Öffnung stehe.
    Â» Du kannst. Es haben schon Männer geschafft, die doppelt so breit waren wie du. Es dauert nicht lang, hindurchzukriechen. In maximal zehn Minuten erreichst du den Keller eines Hauses, das in einer anderen Straße liegt– dort wird dir dein Verfolger ganz sicher nicht auflauern. «
    Â» Und wenn ich in diesem Tunnel ersticke? Von Ratten aufgefressen werde? Es ist das reinste Grab ! «
    Â» Das wird nicht geschehen. Aus dem anderen Keller gelangst du durch ein Fenster, das nie verschlossen ist, in einen Hof. Dort wiederum steht eine Regentonne, mit dem Wasser kannst du den ärgsten Dreck und Gestank von dir abwaschen. Dann ziehst du dir das Kleid an, das ich dir gegeben habe. Es ist dunkel und unscheinbar, sodass du nicht weiter auffallen wirst. Du gehst die Straße hinauf, zu der praça, auf der wir uns neulich getroffen haben. Dona Martas Schankwirtschaft kennst du ja bereits. Du wirst dich mit folgenden Worten an die Wirtin wenden: › Meine Mutter hat wieder einen Anfall. ‹ Daraufhin wird sie sagen: › Komm mit, Kind, ich gebe dir etwas von der Medizin. ‹ Hast du das so weit alles verstanden? «
    Ich nicke benommen.
    Â» Dona Marta wird dich in ein Versteck bringen. Du kannst ihr vertrauen, genau wie ihrem Gehilfen José. Die beiden werden dir alles Weitere erklären. In Ordnung? «
    Nichts ist in Ordnung. Ich sterbe vor Angst, in dieses Loch zu kriechen, ohne Luft und ohne Licht, dafür aber mit einer Tasche aus Wachstuch, die das dunkle Kleid sowie die Verkleidung für morgen enthält, außerdem ein paar wenige persönliche Dinge, die noch hineinpassten.
    Â» Ja, in Ordnung « , sage ich schließlich und straffe die Schultern.
    Â» Dann los. Viel Glück! « Mit leichtem Druck auf meinen Rücken schiebt sie mich zu dem gruseligen Loch.
    Â» Noch eine Sache « , fällt mir ein. » Wenn mir etwas zustößt, dann setz dich bitte mit meiner Familie in Verbindung. Oder mit Alice Boyer Fagundes. « Ich nenne ihr die Adresse. » Sie ist im Besitz des Original-Briefes, unseres bisher einzigen schlüssigen Beweises gegen Fernando. «
    Aldemira nickt und wünscht mir abermals Glück.
    Ich steige die in die Wand eingelassenen Stufen hinab und schaue nach oben. » Bin unten « , rufe ich und trete beiseite, damit Aldemira, wie zuvor vereinbart, die Tasche hinunterwerfen kann. Sie fällt direkt vor meine Füße. Dann höre ich das schabende Geräusch von Stein auf Stein: Aldemira schiebt den Kanaldeckel wieder über die Öffnung.
    Tiefe Schwärze umfängt mich.
    Ich beginne zu hecheln, als sei

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