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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Café über den Weg gelaufen sind, und steht dabei bedrohlich vor mir wie ein Mensch mit sehr unlauteren Absichten. Sein Gesicht, das vorhin noch leuchtete und so unglaublich schön aussah, ist nämlich jetzt wieder ernst, wodurch es verschlossen und gefährlich wirkt. Das passt alles gar nicht zusammen. Außerdem gefällt es mir nicht, dass er mich duzt.
    Â» Für dich immer noch › Senhorita ‹« , sage ich steif.
    Abermals muss er sich vor Lachen ausschütten und wieder verwandelt sich dieser böse Bursche vor meinen Augen in einen unfassbar gut aussehenden jungen Mann. Brav sieht er aber auch jetzt nicht aus, was ihn nur umso attraktiver macht.
    Â» Klar, Senhorita. Also: Wo willst du hin? «
    Â» Geht dich einen feuchten Kehricht an. «
    Er sieht mich einen Augenblick nachdenklich an, als müsse er genau abwägen, was er auf meine patzige Antwort erwidern soll. » Ich würde dich begleiten. Es sieht nicht so aus, als ob du hier sicher wärst, oder? «
    Â» Wenn du mich in Frieden lassen würdest, wäre ich bestimmt sicherer. «
    Â» Du hast eine ganz schön große Klappe, was? «
    Â» Kannst du auch was anderes als dumme Fragen zu stellen? «
    Â» Ich hätte dich vielleicht doch ausrauben sollen, wie ich es ursprünglich vorhatte. Ich folge dir schon eine ganze Weile, weißt du. Was hast du denn da Schönes in dem Beutel? « Er sieht mich mit einem spöttischen Ausdruck an, mit verschränkten Armen lässig an die Hauswand gelehnt. Seine Muskeln sind sehr ausgeprägt, wie bei einem Feldarbeiter, und seine Hände sind groß und kräftig, ohne plump zu sein. Doch die Haut des Jungen ist von einem sehr hellen Braun, sein Haar ist glatt. Afrikanischer Abstammung scheint er nicht zu sein, aber weiß ist er auch nicht. Merkwürdig. Ich frage mich, wieso mir solche Dinge gerade jetzt auffallen. Es ist wahrlich kein guter Zeitpunkt, einen jungen Herumtreiber so zu mustern und auch noch für ansehnlich zu befinden.
    Â» Lass mal sehen « , sagt er und greift sich meinen Beutel.
    Â» Nicht! « , rufe ich, auch wenn ich genau weiß, dass es keinen Zweck hat. Er wird darin herumwühlen, zwischen gebrauchter Wäsche und zerknittertem Briefpapier mein Geld sowie die Ohrringe finden, und dann wird er sich mit seiner fetten Beute verkrümeln.
    Â» Oho, was haben wir denn da? « , ruft er aus und zieht ausgerechnet Gustavos Brief heraus.
    Â» Lass das! « Ich versuche, ihm das Kuvert aus der Hand zu schlagen, aber er ist schneller als ich und hat die Hand hochgerissen. Da der Bursche ein gutes Stück größer ist als ich, habe ich keine Chance, heranzukommen. Er wedelt damit und schaut mich herausfordernd an.
    Dann blickt er auf den Umschlag, auf dem in feinen, verschnörkelten Lettern die Adresse gedruckt ist.
    Â» Ah, die Senhorita verkehrt in den besten Kreisen, wie ich sehe « , witzelt er. Ich finde das Ganze nicht im Geringsten lustig. Wenn er jetzt die Karte aus dem Kuvert nimmt und sie vorliest, werde ich weinen müssen, und das will ich vor diesem ungehobelten Kerl unbedingt vermeiden. Es reicht schon, dass er mit dem Umschlag hantiert, ihn mit seinen schmutzigen schönen Händen entweiht. Er muss nicht auch noch meine Post lesen und mir damit mein letztes bisschen Würde rauben. Bitte, lieber Gott, wenn es dich gibt, dann mach dich nur ein einziges Mal nützlich!, bete ich im Stillen.
    Es scheint zu wirken. Der Junge steckt das Kuvert wieder in den Beutel und wühlt darin nach Dingen, die ihm mehr bringen. Aber seine Suche wirkt halbherzig. Es sieht mehr so aus, als wolle er mich quälen, als dass er wirklich auf Beute aus wäre. Tatsächlich zieht er den Beutel am Zugband wieder zu und hängt ihn sich über die Schulter. So ist das also: Er will den ganzen Beutel behalten und ihn in Ruhe durchsuchen.
    Â» Komm mit « , fordert er mich auf.
    Â» Nein. «
    Â» Jetzt komm schon. Ich tu dir nichts. Ich bringe dich zu einer einfachen Pension. «
    Kann er Gedanken lesen? Woher weiß er, dass ich eine Unterkunft brauche? Und warum will er mich dorthin bringen? Er hat doch jetzt, was er will– kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Andererseits: Ich suche ja wirklich eine Bleibe, und wohin es führt, wenn ich allein durch die fremden Straßen irre, hat man ja gesehen. Vermutlich bin ich in seiner Gesellschaft fürs Erste sicherer.
    Ich hebe die

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