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Januarfluss

Januarfluss

Titel: Januarfluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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oder die halb leere Cognacflasche von Alice, ist mir sehr peinlich.
    Â» Denk, was du willst « , sagt er mürrisch. » Ich finde aber, du könntest dich auch mal bedanken. «
    Â» Bedanken? Ja, schönen Dank auch, du Lümmel, für all diese › Aufmerksamkeiten ‹ . « Wäre ich ein Mann, wäre dies der Moment, wo ich dem Kerl vor die Füße spucken würde, um ihm all meine Verachtung zu zeigen.
    Â» Sieh doch « , flüstert er. » Und keinen Mucks. «
    Ich folge seinem Blick zu der Straße, die ich vor wenigen Minuten noch keuchend hinaufgestiegen bin. Drei uniformierte Männer stapfen geradewegs auf Dona Anas Gästehaus zu. Sie sind keine fünfzig Meter von uns entfernt, daher befolge ich die Anweisung des jungen Diebs und verharre regungslos und mucksmäuschenstill.
    Die Polizisten umstellen das Haus, einer klopft kräftig gegen die Tür und ruft: » Öffnen Sie, sofort. «
    Dona Ana steckt den Kopf durchs Küchenfenster und sagt irgendetwas, das wir aus dieser Entfernung nicht hören können. Kurz darauf öffnet sie die Tür, wischt sich die Hände an ihrer Schürze ab und schüttelt unwirsch den Kopf. Dann stürmen die Beamten das Haus.
    Beklommen werfe ich dem namenlosen Dieb neben mir einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Soll ich mich jetzt allen Ernstes bei ihm bedanken? Trotz seiner Frechheiten und seines Diebstahls? Immerhin hat er mich knapp davor bewahrt, aufgegriffen zu werden.
    Er starrt wie gebannt zu Dona Anas Haus und verfolgt das Geschehen, obwohl sich nicht viel tut. Was im Inneren des Hauses passiert, können wir ja nicht sehen. Auf der Straße haben sich nur ein paar Nachbarn eingefunden, die gaffen und darauf hoffen, etwas Aufregendes zu beobachten. Einer der Polizisten kommt wieder aus dem Haus, tritt auf die kleine Menschenansammlung zu und fragt so laut, dass wir es hören können: » Hat irgendeiner von euch ein junges Mädchen gesehen, das kürzlich mit Sack und Pack dieses Haus verlassen hat? «
    Allgemeines Achselzucken und Kopfschütteln ist die Reaktion. Die Leute tuscheln, einer fragt den Beamten etwas, aber wir können weder die Frage noch die Antwort darauf hören. Nach einer Weile tritt Beatriz in Begleitung der beiden anderen Polizisten aus dem Haus. Sie stecken die Köpfe zusammen, nicken, schütteln einander sogar die Hände. Na so etwas, die brave Senhorita Beatriz steckt offensichtlich mit denen unter einer Decke.
    Â» Hab’s mir doch gleich gedacht « , murmelt der junge Dieb neben mir, dessen Namen ich immer noch nicht kenne.
    Â» Wie heißt du eigentlich? « , frage ich ihn leise.
    Â» Tut das was zur Sache? «
    Â» Wenn du möchtest, dass ich dich weiter mit › Lümmel ‹ oder › Strolch ‹ anspreche, bitte sehr. «
    Er sieht mich amüsiert an. » Lu. «
    Â» Lu? «
    Â» Genau. Lu wie in Luíz. «
    Â» Und weiter? «
    Â» Wen interessiert’s? «
    Â» Mich. Sonst würde ich ja nicht fragen. «
    Â» Nichts weiter. Alle Welt kennt mich nur als Lu. Bist du jetzt fertig mit deinem Verhör? «
    Diesmal ist es an mir, ihn anzugrinsen. Der ganze Wortwechsel hat im Flüsterton stattgefunden, denn noch immer trennt uns kaum mehr als ein dicker Baumstamm von den Polizisten.
    Â» Nein, ich hätte da noch etliche Fragen. Zunächst einmal: Sollten wir nicht schleunigst von hier verschwinden? «
    Â» Besser nicht. Wir warten, bis die Polizisten fort sind und die Menge sich zerstreut hat. Und bis dahin sollten wir nicht so viel reden. «
    Soso. Ich nicke. Ob er nur mein » Verhör « damit beenden will oder ob ihm tatsächlich daran liegt, dass man uns hier nicht aufstöbert, kann mir im Grunde gleich sein. Dennoch werde ich den Verdacht nicht los, dass er nicht ganz aufrichtig ist. Irgendetwas führt der Bursche im Schilde. Ich hoffe nur, dass es nicht zu meinem Nachteil ist.
    Es dauert noch eine geschätzte halbe Stunde, bis die Polizei verschwunden ist und in der Straße wieder Ruhe herrscht, sofern man bei dem allgegenwärtigen Kindergeschrei, Hundegejaule und Kochtopfgeklapper überhaupt von Ruhe reden kann.
    Â» Komm « , fordert Lu mich auf.
    Hätte mir jemand vor einer Woche erzählt, dass ich ohne mit der Wimper zu zucken einem zwielichtigen Gesellen durch ein ärmliches Stadtviertel folgen würde, dann hätte ich diese Person für verrückt

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