Januarfluss
darum, wofür ich ihm in diesem Augenblick sehr dankbar bin. Hätte er besorgt nachgefragt, was denn los sei, hätte ich nie wieder aufhören können zu weinen.
Pikiert schaue ich ihm dabei zu, wie er meinen Beutel öffnet und seinen Inhalt auf dem Strohsack ausschüttet. Aber wozu soll ich mich noch aufregen? Er hat die Sachen schlieÃlich schon hineingepackt, da macht es auch nichts, wenn er sie jetzt noch einmal ansieht.
» Oho, was haben wir denn da? Wenn das nicht piekfeine Sinhazinha-Wäsche ist! « , ruft er begeistert aus und hält eine meiner spitzenbesetzten knielangen Unterhosen vor seine Taille, als wolle er prüfen, ob sie ihm passt.
» Lass das! «
Er wirft die Unterhose auf die linke Seite des Strohsacks. Genauso verfährt er mit den Kleidungsstücken des Stallburschen sowie mit dem einzigen Buch, das ich eingepackt habe, als ich Dona Eufrásias Haus fluchtartig verlassen habe.
Auf die rechte Seite wirft er die Cognacflasche, das Eau de Cologne, die Bürste und meine Kleider.
» Was soll das? Warum machst du diese zwei Stapel? «
» Links ist der Kram, den wir behalten. Rechts liegt das, was wir zu Geld machen können. «
» Ah « , sage ich, weil mir dazu nun wirklich nichts mehr einfällt. Wozu will er die wenigen Habseligkeiten, die mir noch verblieben sind, verkaufen, wenn er doch mit meinen Ohrringen über ein immenses Vermögen verfügt?
» Nur hierfür haben wir wirklich überhaupt keine Verwendung « , unterbricht er meine Gedanken und hält Gustavos Brief in der Hand.
» Den wirst du ja wohl kaum zu Geld machen können « , schimpfe ich und schlage ihm den kostbaren Umschlag aus der Hand.
Lu ist ohnehin schon viel zu tief in meine Privatsphäre eingedrungen. Alles muss er nicht wissen. Und ab morgen bin ich den dreisten Kerl ja ohnehin wieder los.
Gustavo wird bestimmt eine gute Lösung eingefallen sein.
13
Es ist die erste Nacht meines Lebens, die ich mehr oder weniger unter freiem Himmel verbringe, denn dieses improvisierte Dach lasse ich nicht als solches gelten. Lu war den ganzen restlichen Tag fort, mitsamt meinen Sachen, die er zu Geld machen wollte. Erst bei Einbruch der Dunkelheit kam er zurück, und mir wurde ganz flau bei dem Gedanken, was er jetzt mit mir vorhaben könnte. Aber er benahm sich ganz wie ein Kavalier, sofern man bei einem verkommenen Subjekt wie Lu überhaupt von Kavalier reden kann. Er brachte mir etwas zu essen mit, dann verzog er sich nach drauÃen und überlieà mir das » Bett « , also den verwanzten Strohsack. Er verabschiedete sich mit den Worten: » Morgen müssen wir reden. «
Jetzt liege ichâ vollständig bekleidet, versteht sichâ auf dem Bett dieses sonderbaren Jungen und kann nicht einschlafen. Mir geistern zu viele Dinge durch den Kopf, die mir keine Ruhe lassen. Und die Geräusche des nächtlichen Waldes sind auch nicht gerade dazu angetan, einen friedlichen Schlaf zu fördern. Es raschelt und knistert und surrt nur so um mich herum, und wäre nicht Lu drauÃen, würde ich vor Angst sterben. Es gibt Schlangen hier und giftige Spinnen, sogar Jaguare wurden schon im Tijuca-Wald gesichtet.
» Können wir nicht jetzt schon reden, Lu? « , frage ich leise. Ich bin mir sicher, dass er mich hört, so wie auch ich ihn hören kann, wenn er sich auf seiner dünnen Bastmatte wälzt, die er sich vor der Feuerstelle ausgebreitet hat. Ein Glück, dass es nicht regnet, sonst wäre er vermutlich lieber mit mir in der Hütte geblieben.
Als Antwort erhalte ich ein Schnarchen.
Dieses unglaubliche Getöse wird hoffentlich wenigstens die Tiere des Waldes von mir fernhalten, denke ich, dann fallen mir endlich die Augen zu.
Ich erwache vor Sonnenaufgang, als es gerade erst dämmert. Lu ist schon auf den Beinen, er hat ein Feuerchen gemacht und kocht Wasser in einer Blechtasse.
Als er mich bemerkt, runzelt er die Brauen und verkündet: » Es gibt Kaffee, aber ich habe nur eine Tasse. Die müssen wir uns dann wohl teilen. «
» Nein, danke « , lehne ich ab.
Er widmet sich wortlos wieder seinem Gebräu auf dem Feuer. Er hat anscheinend gemahlenen Kaffee direkt in die Tasse getan, darauf Wasser gegeben und alles zusammen erhitzt. Ich schaudere bei der Vorstellung, wie das schmeckt, doch als die Flüssigkeit heià wird, verströmt sie einen sehr wohlriechenden Duft. Ein Kaffee wäre jetzt
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