Januarfluss
mir. Eigentlich hätte er, wie das in den Salons der Reichen nun einmal üblich ist, nach meinem Wohlergehen fragen oder über das Wetter plaudern müssen. Aber neinâ Gustavo kommt direkt zur Sache. Wie herrlich erfrischend!
» Nun, es ist eine längere Geschichte « , druckse ich herum. Ich habe mir vorher zurechtgelegt, wie viel ich ihm verraten kann, doch jetzt wollen die Worte nicht so wie ich. Ich hüstele leicht, dann nehme ich noch einen Schluck von dem wundervollen Kaffee in dem zarten Porzellantässchen. Wie ich dieses kultivierte Ambiente vermisst habe! Und wie göttlich es ist, in diesem üppig in Gold und Weià dekorierten Salon zu sitzen, auf einem zierlichen Louis- XV .-Sessel, und mit Gustavo zu plaudern.
» Nun spannen Sie mich nicht länger auf die Folter! « , drängelt er.
» Also, es ist so, dass ich etwas erfahren habe, das mich zu einer Flucht veranlasst hat. « Abermals nippe ich an dem Kaffee.
» Eine AusreiÃerin? « , ruft er erstaunt aus. » Sie sind aus eigenen Stücken fortgegangen? «
» Ja, nein, ich meine, nicht ganz. « Warum stottere ich in seiner Gegenwart? Ich bin doch sonst nicht auf den Mund gefallen. » Ich wäre ja nicht fortgelaufen, wenn es nicht einen triftigen Grund gegeben hätte. «
» Den Sie mir sicher gleich verraten werden. « Er blickt mich aufmunternd an. Oder ist es Sensationsgier, die ich in seinen Augen aufleuchten sehe? Nein, so stillos ist Gustavo nicht.
Ich schüttele bedauernd den Kopf. » Leider nein. Es⦠Bitte vertrauen Sie mir, Gustavo! Ich kann es nicht erzählen, ohne anderen zu schaden. «
Er nickt, als verstünde er vollkommen.
» Aber ich versichere Ihnen, dass es keine Kinderei von mir war oder Abenteuerlust. Ich konnte nicht anders. «
Wieder nickt er, mit einem mitfühlenden Blick in den schönen braunen Augen. » Aber wie « , fragt er, » komme ich zu der Ehre, dass Sie mich hier aufsuchen? «
» Weil ich nicht mehr weiÃ, wem ich trauen kann und wem nicht. Meine Verwandten und Freunde sind möglicherweise an dem Komplott beteiligt, das man gegen mich schmiedet, sodass ich es klüger fand, mich Hilfe suchend an einen AuÃenstehenden zu wenden. «
» Aber ja, das war eine weise Entscheidung, liebe Isadora, Verzeihung, ich meine Isabel. Ich werde natürlich alles in meiner Macht Stehende tun, um Sie vor weiteren Unannehmlichkeiten zu bewahren. Worin, dachten Sie, soll meine Hilfe bestehen? «
In einem Heiratsantrag!, würde ich am liebsten herausschreien, aber so sehr habe ich mich dann doch noch in der Gewalt, dass ich mir das verkneife. » Ich bin sehr überstürzt geflüchtet, ohne vorherige Planung und mit nur dem Allernötigsten im Gepäck. Ich verfügte über gewisse, äh, Reserven, aber ich wurde bestohlen und sehe mich nun in der unangenehmen Lage, völlig mittellos dazustehen. «
» Diese Reserven waren wohl der kostbare Schmuck, über den man in der Zeitung lesen durfte? Er ist fort? «
» Allerdings. « Ich bin von meiner eigenen Geschichte fast zu Tränen gerührt und muss heftig schlucken.
» Meine Güte, was müssen Sie durchgemacht haben! « , ruft er aus. Fast sehe ich mich schon in seinen Armen, in die er mich tröstend ziehtâ aber nein, er hat nur einen Arm angewinkelt, um seine Taschenuhr hervorzuziehen und einen kurzen Blick darauf zu werfen.
» Oh, es tut mir leid, wenn ich ungelegen komme « , sage ich. » Sie haben natürlich noch andere Verpflichtungen. Wie unhöflich von mir, Sie aufzuhalten. «
» Ja, es ist in der Tat so, dass ich noch eine wichtige Verabredung habe. « Er schaut mir tief in die Augen und flüstert mir zu: » Wenn Sie morgen um die gleiche Zeit hierherkommen, kann ich Ihnen mit Geld weiterhelfen. Zurzeit habe ich leider nichts Bares im Haus, ich muss es erst beschaffen. Und dann erzählen Sie mir auch den Rest Ihrer traurigen Geschichte. Bestimmt kann ich Ihnen in der Sache weiterhelfenâ wäre doch gelacht, wenn wir nicht mit vereinten Kräften dieses Komplott aufdecken könnten. Bis morgen werde ich mir den Kopf darüber zerbrechen, wie wir Sie aus diesem Schlamassel herausholen. Einverstanden? «
Ich nicke wie betäubt. Ja, das klingt vernünftig. Es war ja auch naiv zu erwarten, dass er mir gleich bei unserer ersten Begegnung unter vier Augen seine ewige Liebe gesteht und mir
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