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Januskopf

Januskopf

Titel: Januskopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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geschleudert hatte. Keuchend hastete Katinka über die Stufen. Im Schein der zuckenden Blitze sah sie nicht nur das verbogene Rad. Sie sah einen Schlüsselbund mit einer Bommel als Anhänger auf den Steinen liegen. Brittas Kerkermeisterschlüssel.
    Katinka stürmte zurück zur Schleuse. Wie eine Hürdenläuferin setzte sie über das weiß-rote Absperrband und schrie:
    »Hardo!«
    Es gibt etwas in der menschlichen Stimme, hatte ihr Vater ihr einmal erklärt, das klingt nicht laut, nicht schrill, nicht warm oder kalt; es klingt nach Alarm. Wie der Angstschrei eines Tieres, das seine Artgenossen warnt. So ein Schrei kam aus Katinkas Hals, und alle drehten sich in ihre Richtung, ausnahmslos alle. Sie sah aus den Augenwinkeln, wie Bewegungen einfroren, Augen aufgerissen und Stirnen in Falten gelegt wurden. Uttenreuther kam sofort zu ihr herüber.
    »Was!« Er packte ihre Schultern und schüttelte sie sacht.
    »Brittas Fahrrad«, keuchte Katinka, »und ihr Schlüssel liegen unten auf den Treppen zum Kanal.«
    Hardo setzte sich in Bewegung. Katinka lief ihm voraus. Ein paar Beamte folgten. Plötzlich krachte ein Donnerschlag ganz nah. Immer noch kein Regen, nur Wind, der den Staub aufwirbelte.
    »Hier«, sagte Katinka.
    Hardo stieg die Treppen hinunter, die Kriminaltechniker im Schlepptau. Polizisten kamen mit Lampen. Katinka hockte sich ein paar Meter weiter ins Gras. Sie ahnte, was man herausfinden würde. Britta war vom Fahrrad gestoßen worden. Jemand hatte ihr aufgelauert, hundert Meter von der Schleuse entfernt. Hatte sie k.o. geschlagen und weggebracht.
    Denk nach, befahl sie sich. Denk verflucht noch mal nach. Zwei Menschen verschleppt. Fünf Menschen umgebracht. Beatrix Hanf. Den Mann im Luitpoldhain und seine Mutter. Den Schleusenwart. Ewald. Wo verkroch sich jemand mit dieser Visitenkarte?
    Ein Anwalt kann ihm kaum mehr helfen, dachte Katinka. Der Täter kann nur noch sein Werk zu Ende führen, bevor wir ihn kriegen. Aber wo. Verdammt, alle heiligen Engel, wo?
    Hardo kam die Treppen herauf.
    »Wir haben keine Blutspuren gefunden, wenn Sie das beruhigt.«
    »Wo hat er Britta? Und wo Tom?«
    Hardo hielt sein Handy in der Faust und sagte:
    »Königsberg, Schillerplatz oder Nonnenbrücke. Ich alarmiere die Kollegen.«
    Katinka rannte zu Brittas Auto. Hardos erboste Palfy-Rufe verwehten im Wind. Sie würde nachher behaupten, sie hätte ihn nicht gehört. Carla stand an den Fiat gelehnt, und starrte ins Leere.
    »Einsteigen«, keuchte Katinka. »Schnell. Schnell, verflucht! Wir fahren nach Königsberg!«
    Carla widersprach nicht und fragte nichts. Sie sprang auf den Beifahrersitz. Katinka drehte den Schlüssel und wendete. Beinahe rammte sie die Polizisten, die vom Kanal heraufkamen. Ein Blitz beleuchtete Hardos wütendes Gesicht.
    »Hier, nimm mein Handy. Hardo wird sich gleich melden.«
    Schon schrillte das Telefon.
    »Was soll ich ihm sagen?«, fragte Carla.
    »Er wird schon selbst reden.«
    Zweifelnd nahm Carla das Gespräch an und hörte eine Minute konzentriert zu.
    »Er sagt, sie schicken Leute in Ewald Isensteins Haus nach Königsberg, außerdem zum Schillerplatz und in seine Wohnung an der Nonnenbrücke«, berichtete sie.
    Katinka lenkte das Auto verbissen über den Berliner Ring, hinter ihr Hardos Golf auf Tuchfühlung. Sie konnte sich nicht recht vorstellen, dass Tom und Britta nach Königsberg entführt worden waren. Nicht in einen offiziell angemeldeten Wohnsitz der Familie! Katinka würde später mit Liz Thompson darüber sprechen, wie es kam, dass das Gehirn manchmal Antworten auf Fragen lieferte, bevor man sie stellte. Dr. Thompson würde über die Geheimnisse der zwischen den Schädelknochen eingepferchten weißen und grauen Masse referieren. Über Déjà-vus und andere Seltsamkeiten. In diesem Moment auf dem Berliner Ring, als Katinka Brittas Fiat wendete, die Reifen kreischen ließ und angesichts der polizeilichen Übermacht hinter ihr ihren Führerschein riskierte, stand die Antwort, nach der sie nicht gefragt hatte, deutlich vor ihr. Carla, grün um die Nase, sah Katinka entsetzt an.
    »Was tust du!«
    »Umdrehen«, sagte Katinka und fegte bei Dunkelgelb über die Ampel. Hupkonzerte. »Ich weiß, wo wir Tom und Britta finden.«
    »Und wo?«
    »Wähl bitte Hardos Nummer und gib mir das Handy!«
    Gehorsam reichte Carla das Telefon herüber.
    »Hardo?«
    »Palfy, Sie bringen mich in Schwulitäten. Ihre Lizenz können Sie bei der nächsten Altpapiersammlung abgeben, die Fahrerlaubnis

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