Jax
kann ich den glatten Bruch mit einer Schiene richten –, einem Kind läuft die Nase, weitere Personen mit Mangelerscheinungen haben sich gemeldet. Es wird Zeit, dass sie alle wieder Licht sehen und anständige Nahrung zu sich nehmen.
Wenn Jax »nach Hause« kommt, bringt er mir das Kämpfen bei und wie ich die Pistole bediene. Er hat den versteckten Rucksack geholt, eine Waffe umprogrammiert und meiner Biometrie angepasst, nur scharf schießen darf ich in den Höhlen nicht. Wir müssen Munition sparen, außerdem ist es zu gefährlich, falls eine Kugel am Stein abprallt. Diese Trockenübungen geben mir trotzdem Sicherheit.
Jax hingegen fühlt sich in den Behausungen in die Ecke gedrängt. Das Quartier behagt ihm nicht; er schläft sogar mit einer Waffe in der Hand und wirkt ständig unruhig. Er schaut mich kaum an und Sex hatten wir hier unten auch noch nie. Er verhält sich anders als sonst. Aber weiß ich denn, wie er sonst ist? Ich kenne ihn doch erst seit Kurzem.
Auch mir fällt langsam die Decke auf den Kopf. Vor allem die ständige Dunkelheit macht mir zu schaffen und so etwas wie Platzangst macht sich breit; viele leiden an Depressionen und sind verzweifelt. »Höhlenkoller« nennt es Sonja. Manche drehen hier unten durch und bekommen Beruhigungspillen. Der Stress ist enorm, die ständige Angst, entdeckt zu werden, frisst einen auf. Dazu kommen Schlafmangel und die schlechte Verpflegung.
Alle freuen sich auf die Outlands. Der Tunnel ist fast fertig. Noch einen oder zwei Tage, dann können wir hier raus.
***
Es muss ungefähr Mittag sein, als ich beim unterirdischen See die Wasservorräte auffülle. Gerade tauche ich einen Kanister in das kühle Nass, als ich aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnehme. Sofort rast mein Puls und ich wirbele herum. »Jax!« Hat er mich erschreckt. »Was machst du hier?«
Er trägt nur seine Armeehose und die Stiefel. Über seiner nackten Schulter hängt ein Gewehr. Schweiß und Dreck überziehen seine Haut, sein Haar ist staubig.
»Ich hab solch einen Durst.« Er packt den schweren Kanister, als wäre er eine Flasche, und trinkt in gierigen Zügen. Nachdem er den Behälter abgesetzt hat, zieht er sich aus. »Ich brauch ’ne Abkühlung oder ich verbrenne.«
Wortlos schaue ich zu, wie er sich entkleidet und in den See sinken lässt. An dieser Stelle ist er nur etwa einen Meter tief, fällt danach aber gleich steil ab. Jul hat uns gewarnt, ins Wasser zu gehen. Es könnte Strömungen geben, die einen nach unten ziehen.
Jax legt sich hin, sodass ich seine Gestalt am Grund sehe. Die Sekunden verstreichen, er taucht nicht auf. »Jax?« Er liegt da wie tot. Leider kann ich ihn nur schemenhaft erkennen, da das Licht zu schwach ist und der schwarze Fels alles schluckt.
»Jax?!« Ich lege mich auf den Bauch und versuche, ihn zu erreichen, aber lediglich meine Fingerspitzen streifen seinen Arm. Warum kommt er denn nicht raus?
»Jax!« Ich bin schon versucht, ins Wasser zu springen, und sogar die Wache, die in der Nähe steht, kommt heran, da setzt er sich auf.
»Alles okay?«, fragt der Bursche.
Als ich nicke, zieht er sich wieder zurück auf seinen Posten.
»Mir ist so heiß, Sam.« Schwankend steht Jax auf und hockt sich ans Ufer, um nach seinem Slip zu angeln. Dabei drücke ich ihm die Hand auf die Stirn.
»Gott, du glühst ja!«
Mühsam kommt er auf die Beine und zieht sich, nass wie er ist, den Slip an. »Das geht bestimmt gleich wieder weg.«
»Du hast Fieber.« Seine Augen sind glasig, die Wangen gefleckt.
»Wird mich schon nicht umbringen«, murmelt er und kehrt mir den Rücken zu, um sich weiter anzuziehen. »Hatte nur Durst. Ich helf dann mal wieder den anderen.«
»Du gehst nicht zurück, du bist krank!« Was für ein sturer Kerl, unglaublich!
Mit der Hose in der Hand dreht er sich zu mir um. »Sam, ich war noch nie krank.«
»Aber jetzt bist du es, und als deine Ärztin verordne ich dir Bettruhe.« Ich mache mir ernsthaft Sorgen. Was könnte er haben?
Er lässt die Hose fallen und hängt sich stattdessen das Gewehr über die Schulter. »Na gut, ich leg mich hin, aber nur kurz.« Als er losgeht, schwankt er. Sofort bin ich bei ihm, um ihn zu stützen. Hilfe, der Mann wiegt eine Tonne!
Wir schaffen es gerade bis in unser Lager, da schmeißt er die Waffe neben die Matratze und lässt sich auf unser provisorisches Bett fallen.
»War von den Rebellen jemand krank?«, frage ich, während ich seinen Puls überprüfe. Er ist eindeutig
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