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Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Je mehr ich dir gebe (German Edition)

Titel: Je mehr ich dir gebe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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kleine Julia !«, faucht sie ihn an. »Hörst du? Nie wieder! Das hast du auch aus seinem Tagebuch, genau wie die Informationen darüber, was ich liebe, und dann hast du mir das alles vorgespielt und mir als dein tolles Einfühlungsvermögen verkauft.«
    »Du machst mit deiner Schauspielerei doch genau dasselbe.«
    »Nein, ich verwechsle mein Privatleben nie mit einer Rolle.«
    »Das glaube ich nicht. Dafür bist du viel zu leidenschaftlich. Man kann nicht alles schön sauber trennen. – Vernunft und Unvernunft, Gut und Böse …«
    »Aber du kannst mir doch nicht falsche Gefühle verkaufen!«
    »Meine Gefühle zu dir waren nie falsch!«
    Julia holt tief Luft. Sie hat wirklich genug. Sie muss die Fäden kappen, jetzt sofort.
    »Kolja, ich will dich nicht mehr sehen!« Julia macht einen großen Schritt zur Seite, steigt über einen kleinen Busch auf den Bürgersteig. Zwei Frauen schauen sie verwundert an. Sie denken bestimmt, sie hätte sich Marihuana gekauft. Warum sollte man sich sonst Nähe Hasenheide im Gebüsch herumdrücken?
    Kolja kommt ihr hinterher, stolpert, ruft nach ihr. Seine Stimme hat etwas Schneidendes, etwas, das ihr Angst macht. Sie geht einen Schritt schneller. Kolja holt sie ein, geht neben ihr, aber mit den Händen in den Hosentaschen.
    »Lass mich einfach in Ruhe, ja?«
    »Du kannst mich doch jetzt nicht so einfach wegwerfen.«
    »Ich werfe dich nicht weg. Ich will dich nur nie wiedersehen!«
    »Willst du mich bestrafen? Für was? Weil ich dir alles gegeben habe? Sogar Jonas?«
    »Kolja, bitte. Lass mich in Ruhe!«
    »Okay«, sagt er und bleibt stehen. »Aber morgen redest du mit mir! Ich lass mich nicht einfach so benutzen und abservieren, nach allem, was ich dir gegeben habe.«
    Unterwegs bekommt sie eine SMS von Kolja:
    Ich habe das Tagebuch nur genommen, weil ich wissen wollte, was das Beste für dich ist. Nur deshalb habe ich es gelesen. Ich wollte nichts falsch machen, Julia. Niemand kann dich mehr lieben als ich! Nicht mal Jonas.
    Sie stellt ihr Handy aus, geht in die U-Bahn. Da wird es ihr wieder eng in der Brust, das Herz fängt an zu rasen. Sie muss an der nächsten Station aussteigen, zu Fuß weitergehen, sieht sich von oben, aus der Engel-Perspektive, als würde Damian auf sie herabschauen, aber den gibt es nicht, nur in dem Film Der Himmel über Berlin. Sie spürt ihre Füße über das Pflaster gehen, aber sie selbst steht auf dem Flügel der Goldelse und schaut zu sich hinab, wie sie geht, wie ihr Leute entgegenkommen, sie überholen, wie sie an der Ampel stehen bleibt und wartet, bis es Grün wird. Sie sieht sich wie in diesem Tagtraum bei Kitty – eine Gestalt, schwarz-weiß, umschattet. Der Schatten löst sich bei jedem Schritt ein bisschen auf. Jetzt ist sie durchsichtig, man sieht ihre Knochen, die Innereien, das Herz schlagen. Mit jedem Schlag pumpt es Farbe in ihre Arme, ihren Kopf, den Körper, bis hinunter in die Füße. Alles ist rot, wird orange, warm und lebendig. Und Jonas ist tot. Einen Moment ist ihr, als würde sie fallen, sie stolpert, ihr fährt der Schreck ins Gesicht, wie eine Ohrfeige, aber dann fängt sie sich und geht weiter. Ja. Jonas ist tot.
    Zu Hause ist niemand da. Sie ist ganz allein. Sie wäre auch allein, wenn ihre Eltern da wären, denn Jonas ist tot.
    Wie konnte sie sich die ganze Zeit auf Kolja verlassen? – Wie konnte sie sich nur ihre Welt so zurechtlegen? Das war ja genauso wie in dem Roman Der goldene Esel , aus dem die Erzählung Psyche und Amor stammt, die sie im Deutschunterricht gelesen haben. – Der Esel war sie, und nur, weil sie um jeden Preis die große Liebe zu Jonas aufrechterhalten wollte und sich dafür in Kolja geirrt hat. Aber das ist nur ein Fragment aus ihrem Leben, aus ihren Metamorphosen . Nun hat sie sich verwandelt und kann endlich loslassen: und zwar Kolja und Jonas!
    Alles ist plötzlich so klar und in seiner Klarheit verwirrend. Jonas ist tot – sie kann es sogar aussprechen: tot – tot – tot – und ihn endlich gehen lassen. Und erst dadurch kommt er zu ihr zurück. Er wird immer bei ihr sein. Das ist es doch, was er ihr die ganze Zeit in ihren Träumen sagen wollte.
    Julia leckt sich Tränen von der Wange. Sie kann Jonas spüren, er fasst sie an der Hand. Es fühlt sich so gut an, nach Leben und Glück. Sie wird mit seiner Liebe im Herzen weiterleben – auch wenn das Herz nur ein Muskel ist.
    Endlich kann sie aufatmen.

KAPITEL 38
    Zentralverriegelung
    Den ganzen Tag kommen SMS und Anrufe von Kolja.

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