Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
zärtlichen Kuss geweckt und in ihr Ohr geflüstert: »Ich möchte mit dir, allen sechs Jungs, der Oma und den Hunden in die Stadt gehen und ganz groß frühstücken. Mit allen zusammen und ganz viel Zeit, zum Zuhören, Reden und vielleicht ein bisschen Zeitunglesen. Und danach gehe ich zu Puppenkönig! Ich glaube, ich brauche dringend Glasmurmeln.«
Das war der schönste Tag, den wir seit langem mit der Familie verbracht hatten. Seitdem nehme ich jeden Samstag in der Früh, als erste Handlung des Tages, eine Glasmurmel aus meinem Aquarium. Und ich habe festgestellt: Das funktioniert wirklich. Weil ich mich jetzt, Samstag für Samstag, auf das Positive konzentriere und nicht auf das Negative. Das Negative würde mich nur runterziehen, aber das Positive macht den Tag besonders schön.
Ich bin inzwischen ein Mensch der sagt: Ja, das Glas ist noch halb voll! Und nicht: Das Glas ist schon halb leer. Meine Kinder haben diese Einstellung noch nicht, sie sagen: »Ey, mein Glas ist schon voll leer!« Das kommt vielleicht mit dem Alter, so wie bei meinem Großvater: »Halb voll, oder halb leer – Hauptsache, meine Zähne passen da rein!«
Noch etwas haben die Glasmurmeln in meinem Leben verändert: Wenn ich mir etwas vornehme, dann mache ich es einfach. Alles kann so schnell vorbei sein, genau wie dieses Buch.
Zeit ist nicht Geld, aber Zeit ist das Wertvollste, was man im Leben zu verschenken hat – an die Familie, an Freunde und sich selbst. Es hat viel Zeit gekostet, dieses Buch zu schreiben. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, es zu lesen.
In diesem Sinne,
Ihr Bill Mockridge
Epilog – oder: »Tu dir die Ruhe an«
Eben klingelt das Telefon – mein lieber Lektor Steffen ist dran. Ein super Buch sei das geworden, phänomenal, phantastisch, ganz genau so, wie es sich der Verlag gewünscht hat, lobt er mich zum wiederholten Mal. Ich höre es immer noch genauso gerne wie beim ersten Mal. Dann jedoch meint Steffen plötzlich: Es wären sechs Seiten übrig. Damit hatte ich nicht gerechnet. Zuerst hab ich ihm spendabel angeboten: »Ach, komm, behalt sie!«, worauf Steffen mir erklärt hat: »Nein, nein, das verstehst Du falsch. Wir müssen diese sechs Seiten noch füllen. Also du !« Ach so! Gut, gut, okay. Verstanden.
Dann mal los. Aaaaaaalso … ich muss Ihnen unbedingt noch erzählen von … von … äh, von … ja, wovon eigentlich? Ich habe Ihnen doch alles erzählt! Wieso sind also noch sechs Seiten übrig? Ich werd bekloppt. Moment, ich muss meinen Lektor kurz zurückrufen.
»Steffen? Bill hier … ja genau, derselbe Bill wie vor fünf Minuten. Du, pass auf, wegen der sechs Seiten: Ich hab keine Ahnung, was ich noch schreiben soll. Ich habe alles Wichtige, was man übers Alter wissen muss, bereits berichtet!«
»Ach, Bill – irgendwas wird dir doch noch einfallen.«
»Ich wüsste nicht, was …«
»Die sechs Seiten können ja nicht einfach weiß bleiben!«, entgegnet mein Lektor Steffen mit pädagogisch leicht erzieherischem Ton. Mir steht plötzlich der Angstschweiß auf der Stirn.
»Wieso denn nicht? Können wir nicht einfach ›Raum für Notizen‹ daraus machen? Vielleicht wollen meine Leser das Buch ja zusätzlich als Einkaufszettel nutzen oder fürs Testament oder so.«
Ich höre es durchs Telefon auflachen. »Haha, Billy-Boy, netter Versuch! Aber jetzt setz dich lieber dran, du weißt, morgen ist Abgabe!« Damit legt Steffen auf. Das ist doch wohl nicht sein Ernst. Panisch renne ich in die Küche.
»Margie! Margie! Du musst mich retten!«
»Erzähl mir was Neues.«
»Margie, bitte!« Ich packe meine Frau verzweifelt an den Schultern. »Jetzt ist keine Zeit für Scherze: Es fehlen noch sechs Seiten! Schnell, sag mir: Worüber könnte ich noch schreiben?«
Meine Frau denkt kurz nach. »Vielleicht über die peinlichen Verwechslungen, seit deine Augen schlechter werden? Das mit mir und meiner Mutter?«
Ich schüttelte den Kopf. »Zu intim.«
»Wie wär’s mit deinen Flop-Diäten?«
»Hab ich doch schon! Sag mal, liest du überhaupt, was ich dir als Bettlektüre ausdrucke?!«
»Mann, Bill!« Meine Frau kriegt ihren genervten Gesichtsausdruck. »Dann schreib halt was über die alten Schlüters von nebenan, die im Sommer immer nackt im Garten rumlaufen.«
»Über die Schlüters? Bist du wahnsinnig? Die können uns doch eh schon nicht leiden. Wenn Herr Schlüter über seine Schrumpelsackfalten im Buch liest, eröffnet der endgültig den Nachbarschaftskrieg … Ich merke
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