Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
leider der Ausdruck auch.
Außerdem waren Dieters Lippen so unerträglich gespannt, dass er kaum noch singen konnte und Dr. Sen Gupta einen zweiten Eingriff für nötig hielt. In der Klinik wurden Dieter zarte, glatte Hautstreifen angenäht. Dr. Sen Gupta hatte in eigenen Versuchsreihen an tschechischen Prostituierten herausgefunden, dass dazu die Haut in Gesäßnähe besonders geeignet ist. Aus den gespannten Lippen wurden, dank Dieters Eigenhautspende vom Hintern, riesige Karpfenlippen. Ganz wichtig: Die fischigen Lippen muss man ständig feucht halten, sonst platzen sie auf. Also züngelt Dieter nun den ganzen Tag wie eine Ringelnatter an seinen Lippen rum. Das sieht echt bescheuert aus, aber er hat es ja gewollt. Immerhinn kann er sich jetzt selbst am Arsch lecken! (Entschuldige, Dieter.)
Jeder Mensch hat sein eigenes Gesicht, und das ist wie sein Ausweis. Liften bedeutet, seinen Ausweis zu fälschen. Ich finde, man sollte einem Gesicht ansehen, dass man gelebt, gelitten, gelacht und geliebt hat. Ich sehe das Gesicht meiner Frau, ein wunderschönes Gesicht, und es wird von Jahr zu Jahr schöner. Ich kann darin lesen wie in einem Buch:
Ich sehe die ganzen Lachfalten um die Augen – das sind dreißig Jahre Springmaus. Die eine Falte an der Stirn – das ist die Geburt von unserem ältesten Sohn. Dann die beiden tiefen Furchen links und rechts vom Mund – das war die Sechs in Latein von Nicky, das hat ihr damals sehr zugesetzt. Aber genau das möchte ich in ihrem Gesicht sehen, daran erkenne ich, dass sie gelebt, gelitten, gelacht und geliebt hat.
Ein Gesicht zu liften ist wie Bücher zu verbrennen oder wie im Laptop eine Geschichte zu löschen. In dem Moment, in dem ich das schreibe, kommt meine Frau ins Arbeitszimmer und fragt mich: »Na, Bill, wie sehe ich aus?«
Sie trägt wahrscheinlich ein neues Kleid. Wie war noch mal die Antwort, die ich mir zurechtlegen wollte?
Ach ja: »Phantastisch, Margie. Einfach phantastisch!«
8.
Bis(s) aufs Blut
Vor einigen Monaten sah ich meine Frau an. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, das kommt fast täglich vor. Doch an diesem Tag erwiderte sie meinen Augenkontakt mit ihrem berühmt-berüchtigten Gesichtsausdruck des Grauens – in der Wissenschaft bekannt als »Morbus-William-Blick«. Wenn sie den aufsetzt, hat der arme Bill nichts zu lachen. Es gibt ihn nur in Kombination mit solch unangenehmen Sätzen wie »WILLIAM, wie kommt der Fettfleck auf dein neues Hemd?« oder »WILLIAM, wieso steht dein Fahrrad in der Dusche?«
Diesmal aber war ich siegesgewiss, denn ich hatte mir nichts vorzuwerfen – glaubte ich zumindest. Ich hatte sogar ohne Aufforderung den Frühstückstisch abgeräumt: Das dreckige Geschirr in den Kühlschrank und die Butter nebst Marmelade in die Spülmaschine. Aber irgendetwas missfiel meiner Frau. Vielleicht war es die Scheibe Käse, die ich, akkurat zu einem Dreieck gefaltet, zu den anderen Servietten in die Schublade des Küchentisches gelegt hatte. Meine Frau legte den Blick des Grauens auf und presste durch kaum geöffnete Zähne jene unheilschwangeren Worte: »WILLIAM, wann warst du eigentlich zum letzten Mal bei Dr. Peters zum Check-up?«
Ich antwortete extrem gelassen: »Lass mich überlegen … Das ist nicht so lange her. Ja, genau: Das war an dem Tag, als Dr. Peters das neue Pferd für die Hausbesuche bekam!«
»WILLIAM MOCKRIDGE!« – Vor- und Nachname: Das ist die Höchststrafe und bedeutet »Widerspruch zwecklos«!
Noch am selben Nachmittag betrat ich die Praxis von Dr. Peters – in unserem Viertel der Arzt, dem die Senioren vertrauen. Er stammt aus der Eifel, spricht aber erstaunlich gut deutsch. Dr. Peters ist selbst im besten Alter, ist immer gutgelaunt und wird regelmäßig beim Italiener gesehen, in Begleitung seiner Frau und einer Flasche Rotwein. Also ein rundum sympathischer Mensch.
Ich war einmal bei einem jungen Arzt in Behandlung, einer Mischung aus Vitali Klitschko und dem jungen Sascha Hehn. Gehen Sie als reifer Mann niemals zu einem sportlichen Arzt! Sie fühlen sich schon im Wartezimmer, zwischen den gerahmten Sporturkunden, Goldmedaillen und Triathlon-Pokalen, wie ein schlaffer, alter Sack. Und nach dem ersten, meine Finger atomisierenden Händedruck von Dr. Schwarzenegger wartete ich nur noch auf den Satz: »Herr Mockridge, ich kann leider nichts mehr für Sie tun.« Oder noch viel schlimmer: »Herr Mockridge, Sie müssen mehr für sich tun!«
Dr. Peters ist ganz anders: Er nimmt sich
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