Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
aus Dopamin und Serotonin – ich konnte mein spontanes Glück kaum fassen! So muss sich Neil Armstrong gefühlt haben, bei seinen ersten Schritten auf dem Mond, oder Hans-Dietrich Genscher, als er den Balkon der deutschen Botschaft in Prag betrat, oder Karl-Theodor zu Guttenberg, als er seinen Doktortitel entgegennahm. Diesmal war es aber nicht dieses »Wie wunderbar, dass ich mit einer so tollen Frau verheiratet bin«-Glücksgefühl. Es war einfach ihr Atem, der mich fast wahnsinnig machte.
Knoblauch! Mmh, leicht angeröstet …, in Oh-Oh-Olivenöl! Mit leicht scharfer Note … Peperoni! Spaghetti Aaaahglio Oooohlio! So einfach und doch soooo lecker! Und Roootwein. Wahrscheinlich ein Brunello di Montalcino, Jahrgang 2004 oder vielleicht 2005. Nein, doch eher 2003?
»Maaargie, küss mich bitte noch einmal!«
»Oh Bill, hast du heute noch was mit mir vor?«, hauchte sie mir ins Gesicht.
Dieser Hauch, da war doch noch was … Panna Cotta, auf Himmmmhbeerspiegel!! Und der Wein scheint doch eher von 2005 zu sein, für ein 2003er viel zu flach …
»Nein, ich möchte einfach nur essen, äääh, küssen.«
»Warte Schatz, ich putze mir nur schnell die Zähne.«
»AUF GAR KEINEN FALL!«
Über den weiteren Verlauf des Abends schweigt der Gentleman, vor allem wenn er aus Kanada stammt. Nur so viel: Wer behauptet, »Essen ist der Sex des Alters«, dem gebe ich zumindest für diesen Abend nur zur Hälfte recht. Aber immerhin hatte ich wenigstens Sex.
Ich schlief in dieser Nacht glücklich und zufrieden ein. Allerdings hungrig …
Gegen drei Uhr in der Früh weckte mich Margie plötzlich. Ich wusste nicht, wieso. Und ich wusste auch nicht, warum ich vor dem Kühlschrank stand und eine Aufschnittdose in den Händen hielt.
»Bill! Was machst du da?«
Jetzt wäre eine passende Antwort nicht schlecht, vielleicht: »Mir kam es gestern vor, als wenn der luftgetrocknete Schinken noch nicht ausreichend lufttrocken wäre. Ich wollte ihn für dich nur noch ein bisschen lüften.« Dreißig Jahre Improvisationstheater – die Erfahrung kann mir keiner nehmen, auch nicht im Schlaf.
Auf dem Weg zurück ins Bett bin ich noch kurz in die Zimmer meiner Jungs gegangen, nur um zu sehen, ob sie auch gut schlafen und ordentlich zugedeckt sind. Und ob nicht vielleicht doch ein kleines Stückchen Pizzakarton übrig geblieben ist.
Plötzlich stand ich vor Omas Zimmer. Ohne nachzudenken öffnete ich leise die Tür und schlich Schritt für Schritt in Richtung Kommode. Oma schlief anscheinend tief und fest, sie atmete ruhig und regelmäßig. Langsam, gaaanz laaangsam zog ich die Schublade aus der Kommode, Zentimeter für Zentimeter. Endlich konnte ich mit der Hand in den Holzkasten greifen. Da waren sie, die Senftütchen ! Hastig riss ich ein Tütchen auf und fühlte, wie die gelbliche Masse die Schleimhäute meines Rachens verätzte. Egal! Mein Magen freute sich so auf die kommende Nahrung, dass er eine Extraportion Säure als Begrüßungskomitee nach oben schickte. Benommen versuchte ich die Tür zum Flur wiederzufinden, da vernahm ich eine Stimme aus der Dunkelheit:
»Siehste Bill, hab’ ich dir doch gesagt: Der Senf wird dir noch mal das Leben retten!«
10.
Das Reformhaus des Grauens
Am nächsten Morgen saß ich mit meiner Frau glücklich, leicht übernächtigt und immer noch hungrig am Frühstückstisch. Margie aß ein frisches Brötchen mit einer Scheibe sehr gut gelüftetem Schinken. Dr. Peters hatte für mich eine halbe Scheibe Knäckebrot mit zwei Gramm Magerquark und ein daumengroßes Stück Apfelgehäuse vorgesehen. Das üppige Mahl überlebte nicht mal den kurzen Weg vom Kühlschrank zum Küchentisch.
Ich saß vor meinem leeren Teller und schaute vorwurfsvoll auf Margies Frühstücksbüfett. Zum Glück konnte sie mich hinter ihrem Teil der Zeitung nicht sehen. Als sie zum zweiten Mal genüsslich und lautstark in das knusprige Gebäck biss, fielen zwei kleine Krümel zu Boden. Mit katzenartiger Geschwindigkeit stellte ich heimlich meinen rechten Fuß auf die duftenden Brötchenbröckchen. Alles meins. Ha! Der alte Kater kann es noch!
Mit einer schlecht gespielten, ungeschickten Handbewegung schubste ich einen Teil der Zeitung vom Tisch. Langsam und demonstrativ ächzend beugte ich mich zu Boden, um meine Beute zu inspizieren. Brot macht erfinderisch.
Ja, schnell ist der alte Kater noch, aber leider hatte mein Fuß nicht mehr das schmale Gewicht einer pelzigen Samtpfote, sondern eher das eines Brauereipferdes im
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