Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
Sonnen leuchtet mein Gedächtnis! Na klar: der Flaschenöffner!
Jetzt weiß ich, warum es heißt: Mit fünfzig ist der Verstand im Arsch! Aber ich habe ein neues System entwickelt: Ich bleibe einfach auf meinem Verstand sitzen. Ich stehe gar nicht mehr auf. Ich schicke die Kinder! Die vergessen gar nichts.
Neulich kam Luki zu mir, brachte mir zum dritten Mal an dem Tag mein Drehbuch und schaute mich mitleidig an: »Dad, sei mal ganz ehrlich: Hast du sie wirklich noch alle?«
Ich antwortete mit väterlichem, aber strengem Blick: »Ja, Luki, ich benutze sie nur nicht immer! Ich möchte mir ein paar aufsparen, für später.«
Ja, meine Vergesslichkeit hat eine tiefere Dimension, sie geht ins Esoterische. Unser Pastor hat im letzten Sommer nach dem Gottesdienst zu mir gesagt: »Herr Mockridge, Sie sehen abgespannt aus. Ich glaube ( was sonst, er ist schließlich unser Pastor ), Sie arbeiten zu viel. Sie sollten sich häufiger mal die Sinnfrage stellen.«
Ich antwortete mit meiner sanftesten Dornenvögel-Stimme: »Pastor Kampmann, die Sinnfrage stelle ich mir zehnmal am Tag. Ich stehe mitten im Zimmer und frage mich: Woher komme ich? Wohin gehe ich? Gibt es Leben im Nebenzimmer?«
Die Antwort auf all diese Fragen lautet: Ich weiß es nicht!
Warum stehe ich in der Waschküche mit einer Luftpumpe in der Hand? Oder ich stehe mitten auf der Treppe, zwischen Erdgeschoss und erstem Stock, und ich frage mich: Wollte ich rauf- oder wollte ich runtergehen? Oder ich stehe vor meinem Bett und frage mich: Hab ich geschlafen? Oder wollte ich jetzt schlafen? Ich weiß es nicht! Meistens lege ich mich einfach hin und schlafe. Immerhin stehen die Chancen 50:50.
Vergessen ist ein kreativer Prozess. Vergessen ist wie denken – nur umgekehrt. Und wenn Sie anfangen, vergesslich zu werden, tun Sie mir bitte einen Gefallen: Vergessen Sie das Richtige: Ärger und Sorgen – nicht Freude und den Spaß am Leben. Danke!
Ihr Bill ääääh, Dingsbums
30.
Schwarz auf weiß
Ich mache Scherze über die Vergesslichkeit, aber eigentlich ist das ein ernstes Thema. Die Vergesslichkeit kann den Menschen verändern. Er wird unsicher und meidet die Öffentlichkeit. Er könnte ja ständig auf alte Bekannte, Freunde oder gar Verwandte treffen, deren Existenzen er einfach aus seinem Gedächtnis gelöscht hat. Das führt zu unangenehmen Situationen.
Vor einigen Jahren gab es einen »Tag der offenen Tür« in den Kulissen der »Lindenstraße«. Ein WDR-Mitarbeiter ( Name ist der Redaktion bekannt ), er war damals knapp über fünfzig, wurde in dem Trubel von einer älteren Dame angesprochen – sehr persönlich, mit Namen. Man sah seinem hilfesuchenden Gesicht an, dass er keine Ahnung hatte, wer da vor ihm stand. Statt sich zu entschuldigen und höflich nach dem Namen der Dame zu fragen, ruderte er planlos mit Worten durch Zeit und Raum: »Ääääh, sagen Sie nichts, ich komme gleich drauf … Auch WDR? Nein, nein, … jetzt hab ich es, genau, ääääh … Mutter !«
AUA!
Oder ein anderes Beispiel: Es gibt ein nettes älteres Ehepaar in Bonn-Endenich. Heinrich und Lisbeth Lülsdorf. Sehr feine und höfliche Leute, beide um die achtzig. Seit einigen Jahren streiten sich die beiden allerdings immer häufiger, auch in der Öffentlichkeit. Ihr Problem: Er ist vergesslich. Sie leider auch. Und keiner von beiden will es wahrhaben. Schlimmer geht es kaum.
Sie wirft es ihm allerdings ständig vor, mit Verbalattacken wie: »Du hast es wieder vergessen! Du bist ein Trottel! Ich glaube, du wirst langsam plemm-plemm!«
Er steht dann hilflos neben ihr und regt sich auf: »Ich habe überhaupt nichts vergessen! Ich weiß ganz genau, dass ich gar nichts vergessen habe! Und überhaupt: Worüber reden wir jetzt gerade?«
So geht es bei den beiden jeden Tag hoch her. Neulich habe ich die Lülsdorfs im Supermarkt getroffen. Ich hörte sie schon von weitem. Sie standen zwischen den Regalen und stritten darüber, ob sich in der heimischen Küche noch eine Packung Grießbrei befinde oder nicht. Sie: Ja! Er: Nein!
Eine unangenehme Situation für alle Anwesenden. Als harmoniebedürftiger Mensch konnte ich mir das Ganze nur schwerlich anhören. Da habe ich mir ein Herz gefasst und die beiden angesprochen: »Liebe Leute, das hat doch keinen Zweck! So kommt ihr nicht weiter! Geht doch mal zu Dr. Peters, vielleicht kann er euch bei eurer Vergesslichkeit helfen. Vielleicht gibt es irgendwelche Tropfen oder homöopathischen Kügelchen gegen das Problem. Und wenn
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