Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
dominante Einrichtungsfarbe, lediglich durchbrochen mit geschickten moosgrünen und grabgrauen Akzenten an den Fenstern. Über der Tür hängt ein toter, wirklich sehr toter Jesus als Deko. Wahrscheinlich ist hier Tine Wittler am Werk gewesen, als auch sie mal durchgecheckt werden musste.
»So, Herr Mockridge, das ist das Zimmer, das Bett, der Stuhl, der Tisch, und das ist der Schrank …«
Spielen wir hier »Ich sehe was, was du nicht siehst« oder wie?
»… Ich bin in fünf Minuten wieder da.«
Als mich Schwester Mechthild daraufhin allein lässt, liebäugele ich kurz mit dem Gedanken, zu flüchten. Sehr kurz, denn Mechthild, die Wuchtbrumme in Weiß, ist so schnell wieder da und sieht, dass ich noch genauso dastehe wie eben.
»Ohohohoho, Herr Mockridge, wollen wir uns nicht ausziehen und ins Bett gehen?«
»Zahlt das die AOK?«, frage ich. Schwester Mechthild findet das gar nicht witzig.
»Jetzt aber zack-zack!«
Mit ein paar gekonnten Judogriffen verfrachtet sie mich in die Horizontale auf das Bett. Schwester Mechthild zwackt mir Blut ab, hört mein Herz ab, prüft meinen Blutdruck und ich weiß nicht was alles. Zum Schluss reicht sie mir ein Glas mit einem Schraubverschluss obendrauf.
»So, wenn Sie bitte etwas Wasser lassen könnten. In fünf Minuten bin ich wieder da.«
Die immer mit ihren fünf Minuten. Und ausgerechnet bei solch einer epochalen Aufgabe! Ich hab es probiert. Wirklich. Erst ganz normal, dann mit etwas mehr Engagement, ich hab links gehalten, rechts gehalten, mit beiden Händen, schließlich mit den Händen wütend auf den Toilettenkasten geschlagen. Nichts hat funktioniert.
»Nicht traurig sein, Herr Mockridge«, sagt Schwester Mechthild, als sie bei ihrer Rückkehr das leere Gefäß sieht. »Das passiert vielen Männern in Ihrem Alter.«
»Was heißt hier ›in meinem Alter‹?«, entgegne ich. »Ich mache Ihnen zehn Gläser voll – ich krieg nur diesen gottverdammten Schraubverschluss nicht auf!«
Gleich danach kommt Dr. Frank rein. Stationsarzt Dr. Frank hat ein junges, fast bubihaftes Gesicht, nur ein paar blonde Schamhaare obendrauf. Er fängt an, mir diese Fragen zu stellen. Sollte man tatsächlich doch gesund ins Krankenhaus gekommen sein, wird man spätestens durch diese Fragen jetzt wirklich krank. Kinderkrankheiten? Allergien? Unverträglichkeiten? Epileptische Anfälle? Pest? Cholera? Schwangerschaft? (Sie merken: Ich übertreibe zur Kenntlichkeit – in Wahrheit fragt mich Dr. Frank natürlich nicht nach einer eventuellen Schwangerschaft – nur nach Eierstockentzündungen.) Dann kommt der Alkohol dran: Wann, wie viel, was? Gerne oft, gerne viel, gerne alles. Dann Zigaretten. Ha, hier kriegt er mich nicht dran! Ich habe vor achteinhalb Jahren aufgehört zu rauchen. Nicht etwa, weil ich ständig zu besoffen war, um die Packung aufzukriegen, nein, ich wollte auch mal was für meine Gesundheit tun. Es war schwer, aber so schwer war es auch nicht. Der Edgar in meiner Boule-Gruppe raucht ja wie ein Industrieschornstein in den goldenen Jahren des Wirtschaftswunders. Der redet sich immer raus mit dem Satz: »Ich hab als Kind angefangen zu rauchen, ich kann damit nicht aufhören.« Nach der Logik müssten wir alle heute noch in die Hose scheißen. Nein, nein, das geht. Was allerdings gar nicht geht: Dieses knallharte Kreuzverhör von Dr. Frank über meine Lebensgewohnheiten! Jetzt fragt er mich auch noch nach meinem Sexualleben. Ich spüre, wie der tote Jesus über der Zimmertür mahnend auf mich herabschaut. »Existent«, antworte ich Dr. Frank kurz und knapp.
»Wir müssen Sie operieren«, lässt mich Dr. Frank wissen. »Um ihr Herz wieder in den richtigen Takt zu bringen. Der Sinusrhythmus ist weg.«
»Ich zeig dir gleich den Rhythmus!«, denke ich inzwischen leicht aggressiv, wenn auch nur aus Angst. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber an mein Herz lasse ich normalerweise nur Familie und gute Freunde. Aber es hilft alles nichts: Die OP wird noch für heute angesetzt. Ich schiele hoch zum gekreuzigten Jesus über die Tür. Jetzt weiß ich, was du durchgemacht hast, alter Kumpel.
Dr. Frank geht. Pfleger Patrick, Zivildienstleistender mit Zickenbart im achten Monat (der Zivi, nicht sein Bart), kommt wenig später zur Wachablösung.
»Herr Mockridge, ich bin der Patrick. Ich soll Sie ein bisschen frisch machen.«
Gesagt, getan: Er fängt an, mir nicht nur die Brust zu rasieren, sondern bei dieser Gelegenheit gleich auch noch etwas tiefer mein Dickdicht
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