Je oller, je doller: So vergreisen Sie richtig (German Edition)
sind ja nicht nur als Autofahrer im Straßenverkehr gefährdet. In den Städten macht sich eine neue Seuche breit: Das E-Bike. Pfeilschnelle Fahrräder mit elektrischen Motoren. Eine Frau aus unserer Nachbarschaft hat sich so eine Oma-Harley angeschafft. Sie ist mit siebzig in der Innenstadt von Bonn geblitzt worden. Also meine Nachbarin ist siebzig, sie fuhr aber hundert!
Ah, endlich! Da vorne ist meine Ausfahrt. Geschafft. Wieder einmal mehr die deutsche Autobahn überlebt. Wieder eine Kerbe mehr im Armaturenbrett. Ich komme an einer Tanke vorbei. Oh, Diesel kostet hier nur 1,99 €. (Ich habe dieses Kapitel im Herbst 2011 geschrieben, ich weiß also noch nicht, wie hoch der Spritpreis ist, wenn Sie dieses Buch lesen. Und? Kommt hin, oder?) Da schlage ich schnell zu! Ich rolle langsam an die Zapfsäule und lasse mir das Portemonnaie leersaugen.
Na, was ist denn das? An der Zapfsäule neben mir steht ein alter Bekannter, der böse Onkel von der Autobahn. Aus dem 24 Stunden geöffneten »Hier können Sie alles kaufen«-Tanksupershop läuft eine junge Frau auf die Onkel-Karre zu. Wow! Sie ist schlank und gutaussehend, vielleicht Ende zwanzig, lass sie Anfang dreißig sein. Das gibt es doch nicht: Die kleine Katze will wirklich in den Ford einsteigen. Auf der Fahrerseite !
Jetzt hat sie mich gesehen und, ach du Schreck, kommt auf mich zu. Wie peinlich, das gibt bestimmt Ärger, warum benehme ich mich auch wie ein alter Autobahnrüpel?
Sie lächelt mich an und fragt mit einer umwerfend erotischen Stimme: »Entschuldigen Sie, Herr Mockridge, ich bin ein großer Fan der ›Lindenstraße‹. Könnte ich ein Autogramm von Ihnen bekommen?«
Ich bekomme einen roten Kopf: »Ja, äääh, natürlich, sehr gerne.«
Während ich die Autogrammkarte unterschreibe, werfe ich nochmals einen kurzen Blick auf ihre Tuning-Ruine. Das Auto passt doch gar nicht zu ihr.
»Schauen Sie nicht so auf das Auto, Herr Mockridge. Das ist nicht meins. Echt peinlich! Das gehört meinem Vater, der ist gerade sechzig geworden und voll in der Midlife Crisis …« Sie unterbricht den Satz und blickt kurz auf mein rollendes Wohnzimmer, den Lexus 400 Hybrid. »Aber das kennen Sie ja.«
Sie steckt das Autogramm in ihre Jackentasche, bedankt sich und fährt davon. So sind die jungen Leute: Jetzt nehmen sie mir auch noch meine schönen Vorurteile …
35.
50 Jahre – gut gemacht!
Ich habe Ihnen ja bereits von meinem sechzigsten Geburtstag erzählt. Hoffentlich nur einmal, in bin inzwischen in dem Alter, wo ich dieselben Geschichten gerne auch mehrfach erzähle, ohne es selbst mitzukriegen. Nun gibt es aber natürlich genau wie ein Leben nach sechzig auch ein Leben vor sechzig. Zum Beispiel, als ich fünfzig wurde. Das Erschreckende: Auch da hab ich mich schon alt gefühlt! Also nicht ganz so alt wie mit sechzig – was unter Umständen daran liegen könnte, dass ich damals noch zehn Jahre jünger war. (Nur eine gewagte These …) Aber trotzdem alt. Und das lag nicht zuletzt an meinen einschneidenden Geburtstagserfahrungen. Die hatte ich auch zum Fünfzigsten. Anscheinend hält jeder höhere runde Geburtstag eine neue perfide Überraschung bereit. Zu meinem Fünfzigsten trudelte damals zwar noch keine Treppenlift- und Inkontinenzeinlagen-Werbung ein, dafür hatte ich zwei andere einschneidende Erlebnisse an meinem großen Ehrentag.
Meine Frau hatte mir zum fünfzigsten Geburtstag einen Kuchen gebacken. Man muss dazusagen: Mit dem Kuchenbacken verhält es sich bei ihr ähnlich wie bei einem Vegetarier mit dem Boulettenbraten: Es ist einfach nicht so ihr Ding. Meine Frau hat ein sehr großes Herz – aber eine verdammt kleine Kuchenform. In diese kommt die altbewährte Einheitskuchenmischung, jedes Jahr, egal, ob du fünf wirst oder fünfzig. Heraus kommt ein Sandkuchen, staubiger als die Wüste Gobi, wäre nicht zumindest die Schokoglasur oben drauf. Und Smarties. Viele, viele bunte Smarties. Einmal wollte meine Frau mir beweisen, dass sie auch ganz andere Kuchenrezepte drauf hat. Da hat sie statt Smarties kurzerhand M&M’s genommen. Ja, da kennt meine in der Küche gleichermaßen wie im Leben wilde, vielseitige Frau nichts.
Mein Kuchen an besagtem fünfzigsten Geburtstag war dann aber doch die altbewährte Smarties-Version. Und kaum war er aus dem Ofen, kam auch schon mein ältester Sohn Nicki: »Dad, ich will fünfzig Kerzen sehen auf deinem Kuchen!«
Diese Idee fand ich zu einem solch wichtigen, runden Geburtstag mehr als angemessen.
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