Je sueßer das Leben
nur sieben da, aber es sollten acht sein.«
Jack zuckt die Achseln. »Dann wird wohl einer kaputtgegangen sein. Denk an unser Geschirr.«
Das ist wahr. Ihr Service für zwölf ist inzwischen eins für neuneinhalb.
»Heute Nachmittag kommt die Maklerin, um die letzten Details zu besprechen«, fährt Jack fort. »Vielleicht sollten wir vorher etwas essen. Ich bin halb verhungert.«
Rosa nickt und streckt sich, ihr Rücken tut weh. Etwas essen hört sich gut an. »Eine Minute noch. Ich komme gleich nach.«
Sie klebt den Karton mit Klebeband zu und schreibt mit einem Filzstift »Heilsarmee« darauf. Dann nimmt sie das Testament ihres Vaters und geht es noch einmal durch, um sicherzugehen, dass sie keine der wenigen Anweisungen, die es enthält, versehentlich übersieht. Seine zittrige Handschrift ist fast unleserlich, nachdem sich seine Arthritis in den letzten Jahren immer weiter verschlimmert hatte. Er hat einiges Geld gespart und ihr und dem Astronomieclub im Ort jeweils eine großzügige Summe hinterlassen.
Draußen wartet ihr Mann im Laster. Sie klettert hinein, und er drückt ihre Hand, weil er weiß, wie schwer ihr das alles fällt.
»Entschuldigung!«
Jack und Rosa drehen sich gleichzeitig in die Richtung, aus der die Stimme kommt, und sehen eine Frau mit rotblonden Locken auf sie zulaufen, neben ihr ein kleines Mädchen, das einen Teller trägt. Rosa meint sie zu kennen, sie hat sie schon einmal gesehen, kann sich aber nicht an ihren Namen erinnern.
»Hallo. Tut mir leid, Sie zu stören. Ich wollte Sie nur nicht verpassen, bevor Sie wegfahren.« Die Frau ist ein wenig außer Atem. »Ich bin Julia Evarts, und das ist meine Tochter Gracie. Wir wohnen gleich nebenan. Wir waren sehr traurig, als wir hörten, dass Ihr Vater gestorben ist. Er war ein sehr netter Mann.«
»Danke.« Rosa merkt, dass ihr schon wieder Tränen in die Augen schießen. »Danke«, sagt sie noch mal, ihr fällt sonst nichts ein. Was soll man auch sagen?
»Bitten melden Sie sich, wenn Sie Hilfe brauchen. Egal was es ist.« Julia streckt ihre Hand aus und berührt leicht Rosas Arm. »Ich habe Ihnen meinen Namen und meine Telefonnummer aufgeschrieben und die Namen und Telefonnummern der anderen Nachbarn. Vielleicht haben Sie sie ja schon, aber ich dachte, es wäre vielleicht praktisch, wenn Sie alle auf einem Zettel haben.«
Rosa nickt nur.
»Und …« Julia dreht sich um und winkt ihre Tochter herbei, die schüchtern den Teller in die Höhe hält. »Das haben wir gerade gebacken, und Gracie wollte Ihnen gern etwas davon geben. Es ist Freundschaftsbrot.«
»Freundschaftsbrot?« Jack beugt sich über Rosa hinweg zum Fenster und nimmt den Teller, damit Rosa es nicht tun muss. Im Moment fällt ihr alles furchtbar schwer. »Haben Sie vielen Dank, das essen wir sehr gern. Rosa backt es oft. Vielen Dank.«
»Danke«, sagt jetzt auch Rosa und zwingt sich zu einem Lächeln. Sie blickt auf den Zettel, der auf der Frischhaltefolie klebt.
ICH HOFFE, ES SCHMECKT IHNEN.
Julia und Gracie winken, als Jack den Gang einlegt und auf die Straße fährt. Das Vibrieren des Motors beruhigt Rosa, die nicht erwartet hatte, Leuten zu begegnen, die ihren Vater kannten, oder mit jemandem sprechen zu müssen. So wohlmeinend die freundlichen Worte auch waren, sie erinnern sie nur daran, dass er tot ist.
Erst letzte Woche hatte sie mit ihrem Vater gesprochen, und er hatte gut geklungen. Zwei Tage später war er friedlich eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Das zu wissen tröstet Rosa, aber sie wünschte sich dennoch, sie hätte ihn noch einmal umarmen können. Als sie das letzte Mal zu Besuch gekommen war, hatte er geschimpft, weil sie ihm so viel Essen mitgebracht hatte. Brathähnchen, Rinderbraten, Lasagne, Eintopf, Suppen. Da sie wusste, dass er ihr Bananenbrot mochte, und in dem Büro, in dem sie arbeitete, mal wieder ein Freundschaftsbrotteig die Runde machte, hatte sie einen Beutel Teig dabei, um es zu backen, während sie bei ihm war, und als sie wieder fuhren, hatte er sie gebeten, ihm einen Beutel dazulassen. Rosa war überrascht, sie hätte nicht gedacht, dass ihr Vater unter die Bäcker gegangen war.
Ihre Eltern hatten ihr beigebracht, dass man nichts bereuen soll, aber jetzt ist sie doch voller Reue. Sie wünschte, sie hätte ihn öfter gesehen. Sie wünschte, sie hätte sich verabschieden können, er hätte ihr noch einen Satz mit auf den Weg gegeben, den sie den Rest ihres Lebens in ihrem Herzen hätte bewahren können – eine letzte
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