Je sueßer das Leben
Rezept für Tomaten-Hackfleisch-Soße nach. Früher hätte sie einfach Hackfleisch angebraten und eine Dose gestückelte Tomaten dazugegeben, aber jetzt möchte sie die Grundlagen lernen. Das predigt sie auch immer ihren Schülern, selbst den fortgeschrittenen. Wenn man die Grundlagen nicht beherrscht, kommt man irgendwann nicht mehr weiter.
Sie liest das Rezept und stellt erfreut fest, dass es weder besonders einfach noch besonders kompliziert ist. Es umfasst genug Schritte, um eine reichhaltige, geschmackvolle Soße erwarten zu lassen, aber gleichzeitig ist es auch einfach genug, dass es Hannah machbar erscheint. Sie erfährt, dass die Soße umso frischer und tomatiger schmeckt, je kürzer sie kocht, daher sucht Hannah eine große Pfanne aus, damit die Flüssigkeit schnell verdampft.
Sie lässt sich Zeit beim Würfeln von Speck und Zwiebeln und hackt eine Knoblauchzehe klein. Es ist nicht gerade ein richtiges Weihnachtsessen, aber sie hat beschlossen, den Abend allein und bescheiden zu verbringen, während alle anderen mit ihren Familien zusammen sind. Sie ist von verschiedenen Seiten eingeladen worden, unter anderem von Jamie und seiner Familie, aber sie findet es wichtig, dass sie an diesem Abend für sich ist. Und das ist einzig und allein ihre Entscheidung. Jamie kommt später. Sie hat einen umwerfenden Nachtisch für sie beide vorbereitet, ein Trifle aus Himbeeren, weißer Schokolade und Mandeln. Danach wollen sie ein bisschen in Avalon herumfahren, den Lichterschmuck bewundern und vielleicht ein paar Weihnachtslieder mitsingen. Sie hat vor, bei Henry Tinklenberg und Joseph Sokolowski vorbeizuschauen, ihren Nachbarn, und ihnen die kleinen Präsentkörbe zu überreichen, die sie vorbereitet hat. Für die Krums hat sie auch einen – eine Flasche Wein für Marion und ihren Mann, ein paar Kekse und Knallbonbons für ihre reizenden, lebhaften Zwillinge, auf die Hannah gelegentlich aufpasst.
Sie erhitzt das Olivenöl und brät den Speck, bis das Fett ausgelassen ist. Im CD -Spieler lieg das Konzert für Cello und Orchester Nr. 1 a-Moll, op. 33, von Saint-Saëns. Es erinnert sie an die Zeit, als sie mit den Philharmonikern durch Europa tourte. In dem Amsterdamer Hotel war ein fantastisches Büfett aufgebaut, als sie eintrafen. Es war ein langer Flug gewesen, und sie hatten alle einen Riesenhunger. Wie die Heuschrecken stürzten sie sich auf das Büfett und aßen selbst das Obst auf, das eigentlich bloß zur Dekoration da lag, und den Rest stopften sie sich als kleinen Mitternachtssnack in die Taschen. Die Kellner brüllten irgendetwas auf Holländisch, aber erst nachdem man sie auf ihre Zimmer gescheucht hatte, erfuhren sie, dass das Büfett für eine Hochzeitsgesellschaft aufgebaut worden war, die gleich nach ihnen eintreffen sollte.
Vorsichtig gibt Hannah die Masse einer süßlichen italienischen Wurst in die Pfanne. Sie ist froh, dass sie so viele schöne Erinnerungen hat, in denen Philippe nicht vorkommt. Mit ihm gibt es natürlich auch ein paar schöne. Die meisten aus der Zeit, als sie völlig trunken von den ersten Küssen und der ersten Verliebtheit waren.
Ihre liebste Erinnerung ist die an den Flohmarkt in Hell’s Kitchen. Es war ein Sonntagvormittag im Juli und die Hitze stand in den Straßen. Mittlerweile hatte sie schon mitbekommen, dass Philippe sehr penibel war und mitunter fast zwanghafte Züge zeigte, und mehr als einmal kam ihr an diesem Morgen in den Sinn, dass er inmitten der schwitzenden Massen entweder ausrasten oder darauf bestehen würde, sofort zu gehen. Keins von beidem geschah.
Stattdessen entdeckte er einen Tisch mit großen Holzbuchstaben für Kinder. Hannah fächelte sich Luft zu und sah sich an einem der Nachbartische um. Währenddessen legte er die Worte JE T AIME, und dann holte er sie, um sie ihr zu zeigen, und gab er ihr einen langen Kuss, was ihm laute Jubelrufe von den Umstehenden einbrachte. Das gehörte zu den spontansten, unerwartetsten Dingen, die er jemals getan hatte. Solche Momente waren es, in denen Hannah beschloss, für immer mit ihm zusammenzubleiben.
Sie rührt den Inhalt von zwei Dosen geschälten Tomaten unter die Hackfleischmasse und zerdrückt die Tomaten mit dem Kochlöffel. Ein bisschen Oregano, Salz und Pfeffer, eine Messerspitze Zucker. Ein Esslöffel Tomatenmark. Während sie die Soße einkochen lässt, füllt sich ihre Küche mit einem süßen, würzigen Geruch. Ganz zum Schluss wird sie das Basilikum hinzugeben und den Herd ausschalten.
Joy of
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