Jeans und große Klappe
außerdem, daß Sven sein Nachtmahl bereits intus und darüber hinaus noch diverse Freunde beköstigt hatte.
»Mach doch Toast Hawaii!« Rolf kann das Zeug zu jeder Tageszeit essen.
»Ananas ist alle!«
»Haben wir Hähnchen in der Kühltruhe?«
»Bis die aufgetaut sind, ist Mitternacht!« »Hatten wir nicht noch eine Packung Pasteten?« »Und was soll ich da reintun? Grüne Bohnen vielleicht oder Senfgurken?«
Dann fielen mir die beiden Salatköpfe ein, die eigentlich für das morgige Mittagessen bestimmt waren, Tomaten hatte ich auch noch, junge Zwiebeln gab es im Garten, und wenn ich mich nicht täuschte, mußten irgendwo auch noch zwei Dosen Thunfisch sein.
»Und zu so was lädst du jemanden ein?« Sascha musterte kopfschüttelnd meine farbenprächtige Ausbeute. »Das kannst du doch keinem anbieten. Wenn ich mal zum Essen eingeladen werde, dann gibt es immer Steak oder wenigstens Würstchen vom Grill. Das Zeug hier ist doch höchstens als Bremsbeilage zu gebrauchen.«
»Abends soll man nicht so üppig essen, und außerdem sind Salate sehr gesund und haben viele Vitamine.«
»Da krabbelt schon eins!« Mit spitzen Fingern entfernte Sascha die Schnecke vom Kopfsalat. »Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich auf das Kuhfutter verzichte und lieber etwas Vernünftiges esse. Man soll sich schließlich nicht einseitig ernähren.«
Was Sascha sich unter einer ausgewogenen Ernährung vorstellt, ist ein Stück Kuchen in jeder Hand.
Frau v. Beversen erschien nicht um halb neun, sondern eine Dreiviertelstunde später, als wir schon gar nicht mehr mit ihrem Kommen gerechnet hatten. Aber damals kannten wir sie noch zu wenig. Später lernten wir, daß ihre Zeitangaben ebenso zuverlässig waren wie der tägliche Wetterbericht.
Als erstes verbat sie sich von Rolf die »gnädige Frau«. Bei dieser Titulierung müsse sie immer an ihre Schwiegermutter denken, die sich sogar vom Schornsteinfeger so anreden lasse, und Rolf solle sich diese Höflichkeitsfloskeln für betagte Stiftsdamen über achtzig aufheben. Dann wandte sie sich an mich.
»Im allgemeinen habe ich für die Amerikaner nicht viel übrig, denn wir verdanken ihnen nicht nur die Atombombe und Coca-Cola, sondern auch das Werbefernsehen und McDonalds. Aber in einer Beziehung können wir von ihnen noch etwas lernen: Sie gehen ungezwungener miteinander um und kümmern sich herzlich wenig um Förmlichkeiten. Mir jedenfalls gefällt die Sitte, sich mit den Vornamen anzureden, und ich finde, das sollte man in Deutschland auch einführen. Wie heißen Sie überhaupt?«
»Evelyn.«
»Tatsächlich? Ich war bisher der Meinung, bei diesem Namen handelt es sich um ein Pseudonym von Barfrauen und Schönheitstänzerinnen.«
Ich beteuerte lebhaft, mit einer so bewegten Vergangenheit nicht aufwarten zu können.
»Mir wäre nie in den Sinn gekommen, daß man wirklich so heißen kann. Aber mir gefällt der Name. Sind Sie einverstanden, wenn ich Sie künftig so nenne? Ich heiße übrigens Cornelia.«
Warum nicht? Cornelia war kürzer und paßte auch entschieden besser als dieses irritierende v. Beversen.
Natürlich bekundete auch Rolf seine bisher nie geäußerte Vorliebe für amerikanische Gepflogenheiten, wenn auch seine Vorstellungen vom deutschen Adel im Laufe des Abends einen erheblichen Dämpfer bekamen. Cornelia erklärte unverblümt, daß sie ihre blaublütige Verwandtschaft ausgesprochen lächerlich und deren Versuch, an überlieferten Traditionen festzuhängen, albern finde.
»Bei den alljährlich anberaumten Familientreffen habe ich mich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr sehen lassen, und seitdem meine Schwester vor drei Jahren mit dem Stallmeister ihres gräflichen Gatten durchgebrannt ist, bin ich ohnehin nicht mehr gesellschaftsfähig. Noblesse oblige!«
An einem der nächsten Tage lernten wir auch Herrn v. Beversen kennen, der Konstantin hieß und wie ein Student im vierten Semester aussah. Man hätte ihn für den Freund und nicht für den Vater von Constanze halten können.
Über seine beruflichen Fähigkeiten kann ich nichts sagen, mir fiel im Laufe der Zeit lediglich auf, daß seine Kinder unverhältnismäßig oft krank waren.
Rief ich Cornelia an, um den geplanten Einkaufsbummel zu verabreden oder sie zum Kaffeeklatsch einzuladen, bekam ich oft genug zu hören: »Tut mir leid, aber ich sitze mal wieder fest.«
»Hat Nikolaus wieder einen Regenwurm gegessen?«
»Nein, diesmal ist es Viktoria. Sie hat neununddreißig Fieber und krächzt wie ein
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