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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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protestantisch sind, die Zwillinge aber den katholischen Kindergarten besucht hatten. Das war seinerzeit weniger eine Frage der Religion als des chronischen Platzmangels gewesen; außerdem soll man ruhig erst die andere Seite kennenlernen, bevor man sich für eine von beiden entscheidet.
    Nicole und Katja kannten die evangelische Kirche also nur von außen, als ich an dem bewußten Tag durch das Portal schritt, rechts einen Zwilling, links einen Zwilling, im Arm die beiden Schultüten. (Warum muß man eigentlich immer diese riesigen Dinger kaufen, deren Transport die Kinder nach längstens 200 Metern als zu hinderlich ablehnen?)
    Nicki strebte sofort in die erste Reihe, die sonst den Honoratioren vorbehalten ist, aber die hatten die Schulzeit vermutlich schon längst hinter sich. Jedenfalls war die Bank leer.
    Ich sitze ungern auf dem Präsentierteller. Die Zwillinge um so lieber, und die waren in der Überzahl.
    Den Einleitungschoral ließen sie in gefaßter Haltung über sich ergehen: nur Nicki gähnte verstohlen und flüsterte: »Wie lange dauert das denn noch?«
    Dann kam der Pfarrer, von Katja weidlich bestaunt.
    Ich ahnte schon etwas, aber bevor ich ihr noch den Mund zuhalten konnte, platzte sie in die andachtsvolle Stille: »Warum hat er denn so ein schwarzes Nachthemd an?«
    Was man nicht weiß, kann man Kindern nur sehr umständlich erklären, also schwieg ich lieber.
    Der Herr Pastor schien Schlimmeres gewöhnt zu sein.
    Er lächelte freundlich und ging zur Tagesordnung über, aber im Rücken fühlte ich die bohrenden Blicke der konsternierten Mütter. Sie verfolgten mich auch noch auf dem Weg zur Schule.
    Die Aula. Gedränge wie auf einem Bahnhof zur Hauptverkehrszeit, eingequetschte Schultüten, heulende Kinder, die ihre Mütter verloren hatten, Ranzen, die an irgendwelchen Hindernissen hängenblieben, dazwischen winkende Hände und informierende Rufe: »Huhu, Oma, hier sind wir!«
    Ein Herr betrat das Podium.
    »Ist das unser Lehrer?«
    »Nein, das ist der Rektor.«
    »Was ist ein Rektor?«
    »Ein Schulleiter.«
    »Ist das so was wie ein Bürgermeister?«
    »Ja, so etwas ähnliches. Und jetzt sitz' endlich still und halte den Mund!«
    (Das ist auch so etwas Widersinniges: In den ersten Lebensjahren bringt man seinen Kindern das Gehen und Sprechen bei, und später verlangt man von ihnen, daß sie stillsitzen und schweigen.)
    Nächste Station: Die Klassenzimmer. Es gab vier erste Klassen (Wer redet eigentlich dauernd vom Pillenknick?), vier junge Lehrerinnen und 122 Schüler, die die ihnen zugewiesenen Räume teilweise nur unter Protest betraten.
    »Ich will aber mit Sonja zusammenbleiben!«
    »Warum ist Markus nicht in meiner Klasse?«
    »Ohne Monika bleibe ich aber nicht hier!«
    Katja jammerte nach Bettina, die abhandengekommen war, zu ihrer großen Erleichterung aber bald wieder auftauchte.
    Die Mütter sammelten sich stehend im Hintergrund, die Kinder verteilten sich zögernd auf die Stühle. Erste Streitereien.
    »Hier war ich zuerst!«
    »Wenn du nicht sofort abhaust, schmiere ich dir eine!«
    »Versuch's doch mal!«
    Das starke Geschlecht war nicht nur in der Mehrzahl, sondern bereits tonangebend.
    Frau Schlesinger schaffte Ordnung. Sie stellte die beiden Störenfriede vor die Wahl, ihre Meinungsverschiedenheit vor der Tür auszutragen oder sich zwei neue Plätze zu suchen. Die Herren entschieden sich für letzteres.
    »Ich lese jetzt einzeln eure Namen vor, und dann kommt ihr zu mir, damit ich euch schon ein bißchen kennenlernen kann.«
    Wir stehen im Alphabet ziemlich weit hinten. Als Nicki aufgerufen wurde, war ihr das Ritual schon geläufig. Sie spazierte nach vorn, nahm die gelbe Schülermütze in Empfang, lächelte verlegen und trabte zurück.
    »Sanders, Katja.« Frau Schlesinger, die Lehrerin stutzte und erkundigte sich freundlich: »Dann seid ihr ja Schwestern?«
    »Sind wir nicht!« sagte Katja, »wir sind Zwillinge!«
    Wie mir viel später berichtet wurde, sind die beiden in die Annalen der Schule eingegangen als ›die Zwillinge, die keine Geschwister waren‹.
    Masern sind bei der Aufzucht von Kindern eine unerläßliche Begleiterscheinung. Wenn ein Kind die Masern bekommt, ist das zwar unangenehm, aber keine Katastrophe. Wenn fünf Kinder Masern haben, handelt es sich um eine Epidemie. Wenn fünf Kinder nacheinander Masern bekommen, ist es ein Irrenhaus!
    Angefangen hatte Sven. Er war morgens mit Kopfschmerzen aufgewacht, fühlte sich schlapp und interessierte sich nicht einmal für

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