Jeans und große Klappe
asthmatischer Papagei.«
»Was sagt denn der Herr Doktor dazu?«
»Konstantin? Der hat sie vollgepumpt mit Penicillin. Jedesmal, wenn sie niest, wird jemand gesund.«
Das nächstemal war es Constanze, die mit einem nicht genau zu diagnostizierenden Leiden das Bett hütete.
»Konstantin behauptet, es müsse sich um irgendein Virus handeln. Virus ist aber bloß ein lateinisches Wort, das die meisten Medizinmänner verwenden, wenn sie sagen wollen: Ich weiß es auch nicht.«
»Rufen Sie doch mal einen Arzt!« schlug ich vor.
Es gab aber auch Zeiten, in denen sämtliche Mitglieder der Familie Beversen gesund waren, und dann herrschte ein lebhaftes Kommen und Gehen zwischen unseren Häusern. Die Zwillinge hatten an Nikolaus einen Narren gefressen und schleppten ihn überallhin mit, selbst in die Flötenstunde und zum Leichtathletiktraining. Stefanie hatte die ein Jahr jüngere Vicky zu ihrer ganz persönlichen Hofdame ernannt und übertrug ihr sämtliche Aufgaben, zu denen sie selbst keine Lust hatte. Viktoria brachte Ordnung in Steffis Bücherschrank, spitzte die abgebrochenen Buntstifte, hängte herumliegende Kleidungsstücke auf die ebenfalls herumliegenden Bügel, kratzte zentimeterdicke Lehmschichten von den Turnschuhen und wischte bereitwillig das Badezimmer auf, wenn Stefanie mal wieder auf die Idee gekommen war, nachmittags um halb vier zu duschen.
Um so größer war ihre Überraschung, als Vicky ihr eines Tages den Zitronensaft ins Gesicht schüttete, den sie eben erst zubereitet und nach Ansicht ihrer Sklaventreiberin nicht ausreichend gesüßt hatte. Bevor Stefanie die Folgen dieser unerwarteten Rebellion verdaut hatte, war Vicky unter Mitnahme von Stefanies Rad verschwunden und ließ sich auch eine Woche lang nicht mehr sehen. Dann allerdings fing das ganze Spiel von vorne an.
Sascha war überhaupt nicht mehr zu Hause, und wenn doch, dann nur in Begleitung von Constanze. Er war so verliebt, daß die einzigen Wolken die waren, auf denen er wandelte.
»Wenn die beiden zwei Jahre älter wären, würde ich keine Nacht mehr ruhig schlafen«, sagte Cornelia. »Bisher ist Sascha nachts aber immer zu Hause gewesen.«
Sie warf mir einen mitleidigen Blick zu, beruhigte sich dann aber selber. »Ihr Hang zur Zweisamkeit hält sich noch in Grenzen. Meistens hocken die beiden im Garten, zwischen sich das Radio, und lassen sich die Ohren volldröhnen. Da man bei diesem Geröhre sein eigenes Wort nicht mehr versteht, scheint sich ihre Unterhaltung momentan noch in der schweigsamen Anbetung der Rolling Stones zu erschöpfen.«
Nun ja, gute Musik ist die, die wir als junge Leute mochten; schlechte Musik ist die, die die heutige Jugend mag.
Trotzdem zeigte Sascha erste Anzeichen von Eifersucht. Er klemmte sich hinter Stefanie, die jetzt dieselbe Schule besuchte wie Constanze, und forderte nähere Einzelheiten.
»Ihr benutzt doch jeden Morgen denselben Bus. Wie viele aus Constanzes Klasse fahren denn da noch mit?«
»Weiß ich nicht, vielleicht drei oder vier.«
»Sind auch Jungs dabei?«
»Natürlich, aber ich weiß nicht, in welche Klasse die gehen.«
»Gibt es denn einen, mit dem Constanze öfter zusammen ist?«
»Meinst du, daß ich darauf achte?«
»Das könntest du aber ruhig mal tun. Auch auf dem Schulhof.«
»Was kriege ich dafür?«
»Geldgieriges Monster! Meinetwegen bekommst du eine Mark, wenn du etwas wirklich Wichtiges zu melden hast.«
Ihren Judaslohn hat Stefanie nie bekommen. Offenbar hatte sie nichts Verdächtiges feststellen können, und um irgend etwas zu erfinden, war sie wohl zu anständig. Oder zu phantasielos.
Überhaupt hatte ich den Eindruck, daß sich in sämtlichen Schulen die Belegschaft vergrößert hatte, und zwar um jenen kleinen geflügelten Schlingel, der immer mit Pfeil und Bogen herumzieht. Mir war schon gleich nach den Ferien aufgefallen, daß Sven ein ungewohntes Bedürfnis nach Reinlichkeit bezeugte. Er zog jeden Tag ein frisches Hemd an -. früher hatte ich sie ihn nach einer Woche immer gewaltsam entreißen müssen –, putzte freiwillig seine Schuhe und trug ständig einen Kamm bei sich. Außerdem las er Rilke.
Ich fand das alles sehr verdächtig und zog vorsichtig Erkundigungen ein. »Sag mal, Sascha, wandelt dein Bruder jetzt auch auf Liebespfaden?«
»Wieso ›auch‹?«
»Pardon, das ist mir nur so herausgerutscht. Aber mal im Ernst, läuft da irgend etwas?«
»Kein Grund zur Beunruhigung. Er umbalzt zwar so 'ne Type aus der Parallelklasse, aber bis jetzt ist
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