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Jede Sekunde zählt (German Edition)

Jede Sekunde zählt (German Edition)

Titel: Jede Sekunde zählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lance Armstrong , Sally Jenkins
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sitzende Ängste. Die Krankheit überleben geht mit körperlichen, emotionalen und finanziellen Konsequenzen einher. Mit anderen Worten, die Ärzte können einem vielleicht das Leben retten, aber kann man auch die Qualität eines Lebens retten?
    All dies fiel für mich unter die Rubrik »Überleben«, ein eigenartiger, posttraumatischer Seinszustand, den ich durchlebte und den alle, die den Krebs überleben, in der einen oder anderen Form durchmachen. Das Überleben, beschloss ich, sollte den wichtigsten Gedanken der Krebsstiftung darstellen, die ich ins Leben rief: Mit der Krankheit und ihren Nachwirkungen umzugehen lernen war jedoch ebenso wichtig, wie sie zu bekämpfen. Nach und nach wurde mir klar, dass die Lance Armstrong Foundation eine Einrichtung werden sollte, bei der die Menschen sehr persönliche und praktische Informationen erhalten sollten. Es gab andere, finanziell weitaus besser gestellte Stiftungen und Websites, die mehr Informationen anboten. Mit der LAF wollte ich eine Einrichtung schaffen, bei der Leute anrufen oder eine E-Mail schicken und eine Glückwunschkarte von mir an einen Patienten bestellen oder nach den besten Übungen für Brustkrebspatienten und Patienten nach der Chemo fragen können.
    Die meisten Menschen, stellte ich fest, wollten nur, dass man ihnen zuhörte oder, in manchen Fällen, sie berührte. Einmal traf ich einen Jungen namens Cameron Stewart, der mit sechs an Krebs erkrankt war.
    »Hattest du einen Port?«, wollte er wissen.
    »Ob ich einen Port hatte?«, sagte ich. »Schau dir das an.«
    Ich knöpfte mein Hemd auf und zeigte ihm die Narbe auf meiner Brust. Daraufhin zog er ebenfalls das Hemd aus und zeigte mir den Port, den ihm die Ärzte in seinen dünnen Vogelbrustkorb eingepflanzt hatten.
    Cameron und ich haben immer noch Kontakt, und einmal kam er mit seiner Familie zu dem alljährlichen Radrennen der Krebsstiftung nach Austin. Cameron befindet sich auf dem Weg der Besserung und wächst zu einem gesunden Jungen heran. »Ich habe Lance-Armstrong-Beine«, sagt er gerne.
    Ich traf andere Sportler mit Krebs und tauschte Geschichten und Erinnerungen mit ihnen aus. Mit Eric Davies, einem großartigen Baseballspieler, lachte ich über unsere Versuche, währendder Chemotherapie zu essen. »›Caesar‹-Salat mit Hühnchen«, sagte er. »Ich aß zwei davon, jeden Tag, unmittelbar bis ich die Chemo bekam. Wenn man auf Chemo ist, muss man sich übergeben. Und wenn man nichts im Magen hat, kann man sich nicht übergeben. Und sich nicht übergeben können ist schlimmer, als sich zu übergeben. Also aß ich meinen ›Caesar‹-Salat. Ich stopfte ihn mir nur rein, um ihn später wieder rauswürgen zu können.«
    Auch Ärzte bekommen Krebs. Über E-Mail lernte ich einen prominenten Arzt aus New York kennen, der an Prostatakrebs litt. »Ich hoffe, noch zehn Jahre zu leben«, schrieb er mir. »Ich hoffe, dass Sie mit dem ›noch zehn Jahre leben‹ nur gescherzt haben«, antwortete ich. »Wir treffen uns in 30 Jahren wieder.«
    Das Thema »Krebs« ermüdet mich nie, weder darüber zu reden noch davon zu hören oder es wieder zu durchleben. Am 2. Oktober 1999 feierte ich den dritten Jahrestag meiner Krebsdiagnose, den, wie ich ihn nannte, »Carpe Diem«-Tag, was so viel bedeutet wie »Nutze den Tag«. Es war der wichtigste Tag des Jahres für mich, wichtiger als jeder Geburtstag oder Feiertag oder sonstige Jahrestag, und ein Tag der Selbstbesinnung und des Nachdenkens über zweite Chancen.
    Hin und wieder kam es vor, dass ein Freund oder ein Familienmitglied entdeckte, wie sehr mich der Krebs immer noch beschäftigte. Eines Nachmittags erzählte mir mein Trainer Chris Carmichael, dass er seit einiger Zeit mit anderen Sportlern arbeitete, die Krebs hatten. Chris wollte meinen Rat. »Du gibst ein perfektes Vorbild für meine Arbeit ab«, sagte er. »Du hast es selbst erlebt. Du weißt genau, was diesen Sportlern bevorsteht.« Stimmt, das tat ich: die endlosen Stunden mit einer Infusionsnadel im Arm, die würgende Übelkeit und die Narben und Brandmale der Chemikalien, die ihre Körper verunstalten würden. Worin ich mich jedoch nicht als Experte betrachtete, war, wie man den Krebs besiegte; ich hatte einfach Glück gehabt.
    »Man kann nie wissen, der Krebs könnte morgen wieder da sein, wieder in mir da sein«, sagte ich zu ihm. »Er verschwand nur,weil mein Krebs behandelt werden konnte. Aber er ist nicht wirklich weg. Krebs ist etwas, das niemals ganz verschwindet. Ich habe immer noch

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