Jeden Abend, jeden Morgen - immer!
Männerverein. Sogar der Koch war ein Mann. Das Haupthaus war alt und verwittert und wurde nicht regelmäßig geputzt. Er war der Einzige, der es bewohnte, die Männer schliefen in der Belegschaftsunterkunft, einem Blockhaus.
Aber das weiß Stuart, sagte sich Jake voll Unbehagen. Wenn Stuart die Ranch besuchte, wohnte er in einem der vier Schlafräume im ersten Stock. Dort verwahrte er Stiefel und Kleidung, die er nicht jedes Mal von New York mitbringen wollte.
Im Erdgeschoss gab es keinen Schlafraum, und das hieß, Carly würde im selben Stockwerk wie er, Jake, schlafen. Er erwog kurz, für die Dauer ihres Aufenthalts zu den Arbeitern ins Blockhaus zu ziehen. Aber seine Privatsphäre so weit einzuschränken, war ihm ausgesprochen zuwider. Er brauchte Abstand, und mit der Vorstellung von einem Mehrbettzimmer konnte er sich nicht anfreunden. Die Männer würden es auch nicht mögen, wenn er ihnen plötzlich auf den Pelz rückte. Er pflegte kein kumpelhaftes Verhältnis zu ihnen, und beide Seiten würden sich nur befangen fühlen.
“Ich glaube, Carly wird sich auf der Ranch wohlfühlen, Jake. Es ist ein schöner, ruhiger Fleck Erde, und eines Tages wird sie das alles ja erben. Ein Grund mehr, dass sie sich ein wenig mehr mit Wyoming vertraut macht.”
“Ganz wie du meinst, Stu.” Jake staunte über den normalen Klang seiner Stimme, wo sein Puls doch raste und seine Hände feucht wurden. Er hatte sich eine perfekte Umgebung geschaffen, seit er vor vier Jahren zum ersten Mal den Fuß auf die Wild-Horse-Ranch gesetzt hatte. Eine Frau vor Ort würde die Atmosphäre total verändern. Die Männer rauchten, kauten Tabak, spuckten und fluchten, wie ihnen gerade der Sinn stand. Sie rissen derbe Witze über Frauen, obwohl die meisten von ihnen verheiratet waren oder feste Freundinnen hatten, deren Ehre sie jederzeit mit Fäusten verteidigen würden.
Doch auch das weiß Stuart, dachte Jake. Stuart war mit Cowboys aufgewachsen und wusste eines genau: diese Kerle mochten eine raue Sprache führen und knallhart gegenüber anderen Männern sein, aber mit einer Lady gingen sie respektvoll und sogar schüchtern um. War die Lady nicht ganz so ladylike, war das natürlich eine andere Geschichte, aber eigentlich waren diese Cowboys grundanständig.
Doch wenn Jake es sich ehrlich eingestand, machte er sich keine Sorgen um die Männer, falls Carly wirklich auf der Ranch auftauchen sollte, sondern um sich selbst. Er mochte die gegenwärtige Situation. Er aß gern mit seiner Mannschaft im Küchenhaus, damit er sich um seine Mahlzeiten nicht selbst kümmern musste. Wie würde Carly es aufnehmen, immer mit Cowboys essen zu müssen, die ihre eigenen Tischmanieren hatten?
“Wann kommt sie denn an, Stu?”
“Ungefähr in einer Woche. Ich sage dir noch genau Bescheid.”
“Soll ich sie vom Flughafen in Cheyenne abholen?”
“Nein, ich besorge ihr einen Hubschrauber zur Ranch. Mach dir keine Umstände”, erwiderte Stuart.
“Okay”, murmelte Jake. Sie besprachen noch dies und das, aber als Jake auflegte, erinnerte er sich an kein Wort. Ihm war, als würde sein geordnetes Leben auf diesem himmlischen Fleckchen Erde aus den Fugen geraten. Die Vernunft befahl ihm, nicht in Panik zu geraten, nicht vorschnell zu urteilen. Carly Paxton könnte ja ein ganz sympathischer Mensch sein, der sich problemlos einfügte. Doch Jake wollte nicht so recht daran glauben.
Er verließ sein sogenanntes Büro und trat hinaus auf die breite Veranda, die um das ganze Haus lief. Hier vorn hielt er sich nach Einbruch der Dunkelheit am liebsten auf. Die Männer blieben in der Nähe des Blockhauses, rauchten, plauderten und verbrachten irgendwie ihren Feierabend. Doch die Unterkunft lag hinter dem Haus bei den Koppeln, Schuppen und Scheunen. Hier vorn auf der Veranda hatte Jake immer seine Ruhe zum Nachdenken.
Er setzte sich in einen der Sessel, atmete tief ein und versuchte sich über dieses Gefühl der Beklemmung in seiner Brust Klarheit zu verschaffen. Das warf die Frage auf: Wer war er? Sicher nicht mehr derselbe Mann, den Gloria sitzen gelassen hatte, und sicher war er auch nicht so wie die Cowboys auf der Ranch. Er konnte sich auch nicht mit Stuart vergleichen, der ein begnadeter Geschäftsmann war und sich in der ganzen Welt zu Hause fühlte.
Die Bezeichnung ‘Außenseiter’ kam Jake in den Sinn, und er seufzte. Er konnte die Erbitterung nicht leugnen, mit der er allen Frauen begegnete, seit diese eine ihn so verletzt hatte, obwohl er das selten
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