Jeden Abend, jeden Morgen - immer!
Nächstes sagte sie sich, dass Jake Banyon vielleicht ganz anders als ihr Exmann war und sie vielleicht keinen Krieg mit ihm anfangen sollte. Andererseits wollte sie sich von seiner starken Persönlichkeit auch nicht überwältigen lassen und sich nicht geschlagen geben.
Ebenso herausfordernd wie er konterte sie: “Es ist sicher nicht erlaubt, Tiere zu töten, die einem nicht gehören.”
“Es ist Ranchern erlaubt, sich gegen Übergriffe zu verteidigen”, schoss Jake zurück. Warum regte er sich so auf? War das auf das Reizthema zurückzuführen oder auf Carlys schönes Gesicht und ihre starke erotische Ausstrahlung? Es war so verdammt unfair. Er hatte sich längst ausgetobt gehabt und war jahrelang ohne Sex ausgekommen. Und er war damit zufrieden gewesen. Aber jetzt regten sich in seinem Körper wieder diese gewissen Gefühle, die er geglaubt hatte, für immer hinter sich gelassen zu haben.
Jake wollte sich zusammenreißen und ihr sagen, dass er nie daran gedacht habe, den Hengst zu töten. Stattdessen hörte er sich schroff entgegnen: “Ich habe zu tun. Gehen wir hinein und bringen wir’s hinter uns.”
Carly verschlug es fast die Sprache. Banyons Benehmen war unverschämt. Sie warf ihm einen giftigen Blick zu und erklärte: “Ich brauche Ihre Begleitung nicht, ich bin hier zu Hause.” Damit stob sie an ihm vorbei die Stufen empor und über die Veranda zur Haustür.
Jake starrte ihr nach. Sie hat Feuer, sagte er sich und versuchte, sein Temperament unter Kontrolle zu bringen. Während er sich dann vom Haus entfernte, wurde ihm klar, dass diese Begrüßung einfach unverzeihlich war, zumal er sich vorgenommen hatte, mit Carly gut auszukommen. Vielleicht sollte er umkehren und sich bei ihr entschuldigen.
Aber vielleicht sollte sie sich bei mir entschuldigen, überlegte er und setzte entschlossen seinen Weg zu den Ställen fort, wo er die Verfolger des Hengstes anzutreffen hoffte. Verflixt, er hatte es ja geahnt, dass diese Frau seinen Frieden stören würde.
Doch dass er damit recht behalten hatte, machte ihn nicht glücklicher, und sein Gesicht blieb düster.
Im Haus angekommen, vergaß Carly fast die Existenz von Jake Banyon. Dies war das Haus ihrer Kindheitserinnerungen, aber es war so vernachlässigt, dass es sie betrübte. Sie ging durch die Räume im Erdgeschoss und berührte wehmütig die Möbel – den Schaukelstuhl am Kamin im Wohnzimmer, den Lieblingsplatz ihres Großvaters, das alte Klavier, auf dem ihre Großmutter lustige Melodien gespielt hatte.
Traurig musterte sie die verblichenen Tapeten und abgenutzten Möbel. Warum hatte ihr Vater alles dermaßen verkommen lassen? Bedeutete ihm das Haus denn gar nichts?
Aber hatte sie ein Recht, ihm Vorwürfe zu machen? Sie selbst hatte als Teenager das Interesse an Wyoming verloren. Aber wieso hatte ihr Vater ihr diese Launen durchgehen lassen?
Carly seufzte. Sie wusste ja, warum er so nachsichtig mit ihr gewesen war. Weil ihre Mutter viel zu früh gestorben war und er ihr über den Verlust hinweghelfen wollte.
Deprimiert schaute sie sich in dem alten Haus weiter um. In den Ecken und unter den Möbeln sammelte sich der Staub. Außerdem roch es muffig. Vermutlich war seit Ewigkeiten nicht gelüftet worden.
“Banyon würde sich wahrscheinlich auch in einem Schweinestall wohlfühlen”, murmelte sie, als sie die geräumige altmodische Küche betrat. Garantiert würde sie im Kühlschrank nur verschimmelte Reste finden. Sie öffnete die Tür und staunte. Die Fächer waren gefüllt mit frischen Lebensmitteln – Milch, Fleisch und Gemüse.
Komisch. Hatte ihr Vater Banyon um diese Einkäufe gebeten für den Fall, dass sie nicht mit den Männern essen wollte? Aus eigenem Antrieb hatte Banyon das bestimmt nicht getan.
Da Carly kein Mineralwasser im Kühlschrank vorfand, nahm sie ein Glas aus dem Schrank und trat ans Spülbecken. Vermutlich war das Wasser aus dem Hahn trinkbar.
In der Tat war es kühl und köstlich. Carly stand am Fenster, trank und überlegte. War sie ihrem Vater in den Rücken gefallen, indem sie mit Banyon Streit angefangen hatte?
Aber warum sollte sie mit ihrer Meinung hinter dem Berg halten? Es wäre eine Gemeinheit, das Tier zu erschießen, und sie würde vor nichts zurückschrecken, um das zu verhindern.
Sie hätte es gern mit ihrem Vater besprochen, aber wäre das nicht ein bisschen wie petzen? Auch wenn sie ihre Probleme mit Jake hatte, würde sie nie einen Keil zwischen ihn und ihren Vater treiben. Zudem wollte sie ihrem
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