Jeden Abend, jeden Morgen - immer!
Carly erblickte am Rand des Feldes einen großen, schlaksigen Mann in Jeans, Stiefeln und mit breitkrempigem Hut.
Als Jake den Hubschrauber kommen gehört hatte, hatte er sich sofort zum Landeplatz aufgemacht. Stirnrunzelnd hatte er beobachtet, wie die Maschine eine Schleife zog. Zugegeben, er war nervös vor dieser ersten Begegnung mit Stuarts Tochter. Im Grunde war er nervös, seit er seinem Boss gegenüber am Telefon behauptet hatte, Carly sei ihm herzlich willkommen. Das war sie nicht, keine Frau war ihm willkommen, und Jake hatte alles Mögliche herbeigewünscht – von einem Pilotenstreik bis zu einem wütenden Grippevirus, der einen Besuch der Gegend äußerst gefährlich gemacht hätte. Dumme Wünsche, aber die Unumstößlichkeit von Carlys Besuch hatte mit jedem Tag mehr an ihm gefressen.
Jetzt ärgerte es ihn, dass der Pilot da oben kreiste, anstatt zu landen. Carly musste ihn darum gebeten haben.
Meine Güte, warum soll sie nicht einen ausgiebigen Blick auf die Ranch werfen, sagte sich Jake. Sie war seit ihrer Kindheit nicht mehr hier.
Doch das heiterte seine trübe Stimmung nicht auf. Wenn Carly der Typ Frau war, der ständig seine Stellung als Tochter des Besitzers ausspielte, würden sie garantiert nicht gut miteinander auskommen. Und würde das nicht seine Beziehung zu Stuart belasten?
Jake presste die Lippen zusammen. Das Verhältnis zu Stuart wollte er um keinen Preis gefährden. Er würde also auf jeden Fall mit Carly Paxton – sie hatte nach der Scheidung ihren Geburtsnamen wieder angenommen – auskommen, selbst wenn er sich dazu irgendwelchen Launen beugen musste. Innerlich fluchend sah er zu, wie die Maschine nun landete.
Der Pilot stellte den Motor ab, und Jake ging auf den Helikopter zu. Ihm war, als hätte er einen Stein im Magen – und er ahnte, dass von nun an sein Leben nie mehr so sein würde wie zuvor.
2. KAPITEL
Carly hakte den Sicherheitsgurt auf und starrte den hochgewachsenen Mann an, der auf sie zukam. Das musste Jake Banyon sein, aber so hatte sie ihn sich nicht vorgestellt. Wieso hatte sie geglaubt, ein Ranchverwalter müsste viel älter sein? Sie ging auf die Dreißig zu, und Banyon wirkte genauso alt. Und was sie noch mehr überraschte: er sah verflixt gut aus! Während sie die schlanke, sehnige Figur in den engen, ausgeblichenen Jeans und dem blauen Arbeitshemd und die markanten, etwas harten Gesichtszüge betrachtete, hatte sie eine unleugbar erotische Empfindung.
Das erschreckte und ärgerte sie, und sie kniff streng die Lippen zusammen. Mein Besuch könnte ein sehr kurzer werden, dachte sie, obwohl sie sich auf einen langen Aufenthalt eingestellt hatte für den Fall, dass es ihr auf der Ranch gefiel. Dad hätte mir sagen müssen, dass Banyon jung und attraktiv ist. Warum hat er es mit keinem Wort erwähnt?
Der Pilot sprang auf den Rasen, grüßte Jake von Weitem und half Carly beim Aussteigen. Als sie den Fuß auf die Erde setzte, stand Jake schon vor ihr, nahm den Hut ab und streckte ihr die Hand hin.
“Jake Banyon”, sagte er knapp und ohne zu lächeln. “Willkommen auf der Wild-Horse-Ranch.”
“Danke”, gab Carly steif zurück, reichte ihm kurz die Hand und zog sie danach so heftig zurück, als hätte sie sich verbrannt. In der Tat hatten die Wärme und Kraft seiner Hand ihr einen Schock versetzt.
Das darf doch nicht wahr sein, dachte sie und holte zitternd Luft, während sie um ihre Fassung rang.
Jake erging es mit ihr nicht viel anders. Er war regelrecht erschüttert, weil Carly groß und schlank war, aufregende grüne Augen und langes, dunkles Haar hatte. Er hatte glühend gehofft, dass sie eher durchschnittlich wäre. Das war sie nicht. Sie war aufreizend weiblich und eine ausgesprochen auffallende Erscheinung.
Carly war nicht weniger verwirrt als er. Banyon hatte die leuchtendsten blauen Augen, die sie je gesehen hatte, schwarzbraunes Haar und stark gebräunte Haut. Der Blick dieser unglaublichen Augen war zwar bestimmt nicht warm, aber selbst mit diesem Ausdruck der Kälte und Reserviertheit waren sie einfach umwerfend. Da hatte sie geglaubt, auf keinen Mann mehr anzuspringen, und nun wurde ihr schon allein beim Anblick dieses verflixten Cowboys heiß und schwindlig. Sie kämpfte die beginnende Panik nieder und nahm sich entschieden vor, so lange auf der Familienranch zu bleiben, wie es ihr gefiele. Sie würde sich doch nicht von einem viel zu gut aussehenden Cowboy vertreiben lassen.
Der Pilot lud das Gepäck aus. Jake warf sich sofort
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