Jeden Tag ein Happy End
kennenzulernen«, sagte sie. Sie sah zu mir hoch, und ihr lockiger Pony fiel ihr in die Stirn. Ich hätte sie am liebsten umarmt und ihr gesagt, wie atemberaubend ich sie fand. Ich beschränkte mich jedoch darauf, ihre schmale Hand zu nehmen.
»Finde ich auch«, sagte ich. Wenn es doch diesen Australier bloß nicht gäbe.
»Schön. Ich meine, danke. Ich meine, frohes neues Jahr.«
Ich ließ ihre Hand los und sah ihr nach. Dann drehte ich mich wieder zu Hope um. »Das war sie!«, flüsterte ich.
»Gefällt mir«, sagte Hope. »Hast du sie nach ihrer Nummer gefragt?«
»Ich habe dir doch gesagt, sie hat einen Freund.«
»Wieso hat sie sich dann von dir verabschiedet?«
»Sie wollte nur höflich sein. Was sie noch toller macht. Sie hat mich gesucht und ist extra noch einmal hergekommen, nur um –« Ich verstummte, als mich mit grausamerVerspätung die Erkenntnis ohrfeigte, wieso sie das wohl getan hatte. Ich drehte mich nach ihr um und sah gerade noch, wie sich die Tür hinter ihr schloss.
»Gavin, du bist ein Idiot«, sagte Hope liebevoll.
Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, sprintete im Zickzack zwischen den Leuten hin und her und rannte dabei fast ein Pärchen um, das vor der Tür stand. Ich riss die Tür auf und hoffte, Melinda würde noch auf dem Gang stehen, doch da war niemand.
Ich hämmerte auf den Fahrstuhlknopf. Das Display zeigte an, dass der Fahrstuhl bereits im dritten Stock war. Ich konnte nicht warten, bis er wieder hochfahren würde, also rannte ich die Treppen hinunter, nahm immer zwei Stufen auf einmal und sprang die letzten einfach hinunter. Sobald ich sie eingeholt hatte, würde ich ihr alles erklären. Dass ich natürlich sehr gern ihre Nummer hätte. Nein, ich wollte nicht nur ihre Nummer, ich wollte sie küssen. Nein, ich würde ihr nicht sagen, dass ich sie küssen wollte, ich würde es einfach tun. Ich konnte diesen Kuss kaum erwarten. Ich stolperte ins Foyer, raus aus dem Gebäude, völlig außer Atem. Die dunkle Straße lag menschenleer vor mir. Sie konnte noch nicht weit sein. Ich sprintete hoch zur Sechsundzwanzigsten. Nichts. Anscheinend war ich in die falsche Richtung gelaufen. Ich raste zurück in die andere Richtung, zur Fünfundzwanzigsten. Dann zur Vierundzwanzigsten. Hielt Ausschau nach ihrer Jacke, ihren Locken. Ich drehte mich einmal um mich selbst. Nichts und niemand.
Sie war weg.
Wieso ist Aschenputtel eigentlich nicht auf Facebook?
I ch hatte ihre Nummer nicht. Ich kannte ihren Nachnamen nicht. Und der Gastgeber kannte weder eine Melinda noch irgendwelche Australier. Mein einziger Anhaltspunkt war der Lonely Planet, und ich konnte mir kaum vorstellen, dass die Informationen über irgendeine Nepal-Korrespondentin aufbewahrten, geschweige denn an Fremde herausgeben würden. Also tat ich, was jeder vernünftige Journalist getan hätte. Ich googelte sie.
Ich gab »Melinda« und »Reisen« ein, und erhielt 2.340.000 Treffer. Ich fügte noch »Nepal« hinzu und schränkte das Ganze damit auf etwa zehntausend Treffer ein.
Melinda Shapiro hatte eine Bewertung für ein Hotel in Katmandu verfasst.
Bob und Melinda Blanchard hatten ein Buch mit dem Titel ›Lebe deine Liebe‹ geschrieben.
Melinda Windsor war das Februar-Playmate des Jahres 1966. Die Verbindung zu Nepal war mir dabei nicht ganz klar, aber es lenkte mich trotzdem kurz ab. Die Online-Angebote für diese Playboy-Ausgabe waren zwar ohne Fotos, es wurde jedoch ein Zitat angeführt: »Ich gehe nie mit verheirateten Männern aus , also kommen Sie doch rein !« Die Authentizität dieses Zitats hatte bestimmt niemand überprüft.
Ich hatte mir geschworen, ich würde nur zehn Minuten Pause machen und dann meine Kolumne zu Ende schreiben. Nachdem ich eine Stunde lang Links angeklickt hatte, die mich kein Stück weiterbrachten, fand ich endlich eine erste Spur. Ein Artikel von einer Melinda Adams über Billigflüge nach Nepal auf der Seite des Travel Channel. Dort gab es auch Blogeinträge. Aber keine Fotos.
Es war ganz schön unwahrscheinlich, aber ich versuchte es trotzdem mit der Google-Bildersuche. Ich tippte »Melinda Adams« und »Nepal«. Und da war sie, auf einem Foto auf AdventureTravel.com. Eine etwa Neunzehnjährige mit roten Haaren und blauen Augen.
Ich befand mich in einer Sackgasse. Ich dachte daran zurück, wie Melinda mich angesehen hatte, während sich ihre Hand aus meiner löste. Es waren noch etwa zehntausend Treffer aus meiner ersten Suche übrig, und es gab keine Garantie dafür, dass die
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