Jeden Tag ein Happy End
richtige Melinda darunter war. Schon beim Gedanken daran, jeden einzelnen durchzugehen, verließ mich der Mut. Also ließ ich diesen Gedanken erst gar nicht zu.
Melinda Lopez war auf der Suche nach einer bisexuellen Buddhistin für gemeinsame Reisen und andere Abenteuer.
Melinda Davis protestierte gegen die chinesische Politik in Tibet mit einer Himalaya-Themenparty ihrer Studentinnenverbindung an der Tulane University.
Und Melinda Finn hatte im ›New York Observer‹ einen Artikel über ihre Reiseerfahrungen mit einem Gurkha veröffentlicht. Mehr als einen Artikel. Mein Herz schlug höher, während ich ihre Beiträge überflog. Der ›Observer‹ bezeichnete sie als New Yorker Schriftstellerin. Die Bildersuche ergab keine Treffer, aber davon ließ ich mich nicht beeindrucken. Viel seltsamer war, dass es bei Facebook keine einzige Melinda Finn aus New York gab, und Yahoozeigte mir keine lebende New Yorkerin dieses Namens unter dreiundfünfzig an. Im Telefonbuch gab es jedoch siebenundzwanzig Einträge unter »M. Finn«.
Während ich die erste Nummer wählte, schoss mir durch den Kopf, dass ich gerade zum Stalker wurde. Ich sah das Ganze jedoch eher in einem ritterlichen Licht. So eine kühne Geste des romantischen Helden entstammte schließlich bester literarischer Tradition, und verglichen mit einem gewissen Herrn, der auf der Suche nach dem passenden Fuß mit einem gläsernen Schuh von Tür zu Tür gegangen war, verhielt ich mich doch geradezu rational. Ich sah darin wirklich kein Problem, bis ich einem Sheldon Finn erklären musste, wieso ich mit seiner zehnjährigen Tochter Madelyn telefonieren wollte.
Um mich nicht irgendwelchen Verdächtigungen auszusetzen, überdachte ich meine Herangehensweise noch einmal. Ich untersuchte die Artikel im ›Observer‹ diesmal etwas genauer auf Hinweise. In einem erwähnte die Autorin ihren Freund, der sie auf einer der Wanderungen begleitet hatte. Ich stellte mir Jamies Silhouette auf einer Felszunge vor, wie er sich zu mir umdreht und mich auslacht. Ich bekam eine Gänsehaut und las weiter. In einem der neueren Artikel erwähnte sie explizit, dass sie allein reiste. Das war der einzige Hinweis, sonst nichts. Keine Silbe darüber, wie groß sie war, wie sie ihre Haare trug oder ob sie ein Faible für Australier hatte.
Dann machte ich eine Entdeckung, von der mir ganz schwindlig wurde. Unter einem der Artikel war eine E-Mail-Adresse angegeben. Es war eine Adresse des ›Observer‹. Aber es war immerhin eine, und es war ihre. Sie war nur einen Mausklick entfernt.
Mutig tippte ich meine Büroadresse in das Absenderfeld. Das war ein subtiler aber unmissverständlicher Hinweisdarauf, wo ich arbeitete. Hope wäre stolz auf mich. Außerdem sah es so etwas professioneller aus, falls noch jemand anderer Zugriff auf ihre E-Mails hatte – ich war eben ein Journalist, der eine Kollegin anschrieb. Dann sollte ich die eigentliche Nachricht wohl auch eher seriös halten.
Das Gespräch mit Ihnen war mir ein Vergnügen.
Seriös – okay, aber deshalb musste es noch lange nicht so stocksteif sein.
Die Unterhaltung mit Ihnen hat mir sehr gut gefallen, und ich hoffe inständig, es ergibt sich bald die Gelegenheit, sie fortzuführen.
Verkrampft und unsicher zu klingen war vielleicht auch nicht unbedingt der Schlüssel zum Erfolg.
Dein unglaublich strahlendes Lächeln hat bei mir einen Kurzschluss im Gehirn ausgelöst. Ich kann nicht aufhören an Dich zu denken und wäre unendlich dankbar, wenn ich Dich zum Essen einladen dürfte.
Bevor ich es mir noch einmal anders überlegen konnte, klickte ich schnell auf Senden.
Schwarz auf Weiß
A m nächsten Morgen bereute ich meine Impulsivität schon wieder. Wenn das mal kein Fehler gewesen war.
Ich wusste ja gar nicht, ob die Melinda, der ich die E-Mail geschrieben hatte, überhaupt die war, die ich suchte. Selbst wenn, vielleicht war sie gar nicht begeistert von meinen leidenschaftlichen Zeilen. Und falls sie eine freie Mitarbeiterin war, würde die E-Mail sie vielleicht auch gar nicht erreichen, sondern bei irgendeinem überambitionierten, unterforderten Idioten auf dem Tisch landen. Hoffentlich schickte er sie weiter an Melinda, anstatt sie erst einmal zur Erheiterung aller laut vorzulesen und sie dann zu löschen. Oder, noch schlimmer, sein Blick fiel auf den Absender. Das wäre ungünstig. Zumindest für mich.
Hätte ich meine Hotmail-Adresse benutzt, wäre ich anonym geblieben. Stattdessen hatte ich aber der ganzen Welt zeigen
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